Exklusivgespräch mit Thomas Weller, CEO von Harro Höfliger Die Zukunft gehört den Mutigen: Wie „Harro“ aus Trends Maschinen macht

Von Anke Geipel-Kern

Harro Höfliger hat die Zukunft ins Visier genommen. Personalisierte Medizin, Digitalisierung, Smart Devices und Nachhaltigkeit sind für den Sondermaschinenbauer aus Allmersbach im Tal Pharmatrends, die in den nächsten Jahren in der Branche keinen Stein auf dem anderen lassen werden. Warum Innovation für den CEO Thomas Weller eine Herzensangelegenheit ist und er Netzwerken zur Chefsache gemacht hat, hat er im Gespräch mit der PROCESS verraten.

Anbieter zum Thema

Thomas Weller, CEO von Harro Höfliger
Thomas Weller, CEO von Harro Höfliger
(Bild: Harro Höfliger)

Momentan ist in der Pharmabranche viel in Bewegung: Die rasante Entwicklung der mRNA-Impfstoffe und auf der Technologie basierender Krebsmedikamente, der immer unübersehbarer werdende Trend zur individualisierten Medizin, neue Therapieformen – das alles bietet jede Menge Chancen für innovative Maschinenbauer. Und einer der fest entschlossen ist, sich keine dieser Chancen entgehen zu lassen, residiert in Allmersbach im Tal.

1975 hat Harro Höfliger die Harro Höfliger Verpackungsmaschinen GmbH gegründet und wer sein Auto gemächlich über die kurvige Landstraße Richtung Helmholtzstraße steuert, bekommt den Eindruck, dass es außer „Harro“ nicht mehr viel gibt in Allmersbach. Der Maschinenbauer belegt eine beträchtliche Fläche am Rande des Ortes und ist weiter auf Wachstumskurs – Baupläne mit Platz für Erweiterungen gibt es im Gewerbegebiet Lerchenäcker am wenige Kilometer entfernten Standort Backnang.

Stillstand kommt für CEO Thomas Weller ohnehin nicht in Frage. Der lebhafte Schwabe, sinnbildlich gesprochen immer mit wehenden Rockschößen unterwegs, ist seit 2001 in der Geschäftsführung und seit 2006 CEO des Unternehmens. Er versteht sich als Teamplayer, der eine offene, diskussionsbasierte Unternehmenskultur pflegt, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er Ideen hartnäckig verfolgt, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Tom, wie ihn seine Geschäftspartner- und -freunde nennen, hat sein Ohr überall und über die Jahrzehnte Kontakte zu den Branchengroßen aufgebaut, deren Pflege er zur Chefsache erklärt hat, ebenso wie die Beobachtung der weltweiten Technologietrends, welche die Pharmabranche gerade beschäftigen.

Individuellen Therapien gehört die Zukunft

Momentan beschäftigt ihn das Thema personalisierte Medizin, für Weller einer der wichtigsten Märkte der Zukunft. „Wir sind ein innovatives Unternehmen und wollen hier von Anfang an mit dabei sein,“ betont er und, wie es Tradition bei Harro Höfliger ist, treibt der CEO Netzwerke voran und hat vor zwei Jahren eine vielversprechende Unternehmensbeteiligung an Land gezogen. Dihesys heißt der Neuzugang. Mit dem Ulmer Start up, spezialisiert auf den Druck patientenindividueller Dünnfilme und Tabletten in 2D und 3D-Drucktechnologie, wurde ein GMP-gerechter Drucker entwickelt. entwickelt. Seit 2020 hält Harro Höfliger eine Beteiligung – unterstützt finanziell und technologisch und mittlerweile läuft ein gemeinsames Projekt mit der Uni Tübingen am Universitätsklinikum Tübingen.

Ergänzendes zum Thema
Tumorbehandlung mit personalisierter Medizin
Vielversprechendes Projekt an der Uni Tübingen

Gemeinsam mit der Universität Tübingen hat Dihesys im Juni 2020 ein Projekt gestartet, das untersucht, ob Patienten bei der Tumorbehandlung weniger Nebenwirkungen zeigen, wenn sie personalisierte Tabletten erhalten die mittels Digitaldruck (2D bzw. 3D - Druck) hergestellt werden. Im Rahmen des Projekts wird ein pharmatauglicher 2D-Drucker im Universitätsklinikum Tübingen installiert. Dieser Drucker erlaubt eine individuelle Dosierung von Wirkstoffen für den Patient. Neben dem Drucker selbst, liefert Dihesys auch die benötigten Druckkartuschen mit der druckbaren Wirkstoffmischung an das Klinikum. Der Drucker wird vor Ort qualifiziert und vom lokalem Apotheker in Betrieb genommen, der die finale Rezeptur nach ärztlicher Verordnung herstellt und freigibt. Dazu stellen die Wissenschaftler speziell auf die Patienten zugeschnittene Wirkstoffdosierungen her und verabreichen diese den Patienten in der Klinik.

Für das Pilotprojekt wurde ein pharmatauglicher 2D-Drucker installiert, der eine individuelle Dosierung von onkologischen Wirkstoffen für den Patienten ermöglicht (siehe Kasten). Ziel der Klinikforscher ist eine bessere und nebenwirkungsfreiere Therapie eines bösartigen Hirntumors. Dihesys liefert neben dem Drucker auch die benötigten Druckkartuschen mit der druckbaren Wirkstoffmischung an das Klinikum.

Personalisierte Medizin ist ein Megatrend. Wir sind ein innovatives Unternehmen und wollen hier von Anfang an mit dabei sein.

Thomas Weller, CEO Harro Höfliger

Auch die Uni Heidelberg, die den ersten Drucker erhielt, ist an der Technologie dran: Hier geht es um digitalen Druck von Arzneimitteln auf Gelplättchen (oralen Dünnfilmen), die sich im Mund innerhalb von Sekunden auflösen. Aktuell prüfen die Forschenden in zwei klinischen Prüfungen mit insgesamt 24 Probanden die Machbarkeit und Tauglichkeit der neuen Technik. Besonders Kinder könnten von den Zubereitungen profitieren, da die Dünnfilme mit geringen Wirkstoffmengen gedruckt werden können und sich im Mund von allein auflösen.

Netzwerke sind das A+O

Das Ulmer Start up ist für den Netzwerker Weller ein Paradebeispiel, warum besonders in der Pharmabranche nichts ohne persönliche Kontakte und vertrauensvolle Zusammenarbeit geht. Mit Markus Dachtler und Prof. Dr. Gerald Huber, beides Mitglieder des dreiköpfigen Dihesys Advisory Boards, erzählt er, verbinde ihn eine langjährige Partnerschaft noch aus der Zeit in der Dachtler an der Uni Tübingen und Huber als CEO für Ratiopharm (später Teva Pharmaceuticals) tätig war.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 10 Bildern

Schon die ersten Gespräche über den neuen technologischen Ansatz des 2D/3D-Drucks hätten ihn von der disruptiven Kraft des Geschäftsmodells überzeugt. „Partnerschaften leben von den Menschen dahinter und hier hatten wir von Anfang an ein sehr gutes Gefühl,“ erinnert sich Weller. Wird das Vorhaben ein Erfolg, könnte das für Harro Höfliger auch der Einstieg in neue Märkte sein: „Kliniken und Apotheken zählen wir noch nicht zu unseren Kunden und hier haben wir die Chance, gemeinsam mit Dihesys eine ganz neue Klientel zu erschließen,“ erklärt der CEO. Das Rollout in Deutschland ist für 2022 geplant und das internationale für 2023.

Start ups in USA und München

Auch die Partnerschaft mit dem amerikanischen Unternehmen Experic zahlt auf das Thema personalisierte Medizin ein. Das junge CDMO hat sich auf die Auftragsproduktion und -verpackung klinischer Versuchsmaterialien und maßgeschneiderter Sonderanfertigungen zugelassener Arzneimittel spezialisiert und bietet diese Dienstleistungen KMUs und Start ups an, die sich die Investition in Produktionsanlagen nicht leisten können oder wollen. Bereits seit 2015 kooperiert Harro Höfliger mit Experic und ist auch als Investor mit im Boot. Weller sieht großes Potenzial auf dem amerikanischen Markt mit seiner dynamischen Pharmaszene auf der sich mehr und mehr kleinere Pharmaunternehmen tummeln, die Orphan Drugs und individuelle Therapien entwickeln.

Man könne ihnen mit Experic einen erfahrenen Partner an die Seite stellen, der sie mit seiner fachlichen Expertise durch die klinischen Studien bis hin zur Zulassung begleite, betont Weller. Angenehmer Nebeneffekt: Da die Amerikaner Harro-Höfliger-Technologie nutzen, diene die GMP-Fertigung als „Hightech-Showroom“, in dem Kunden Technologie aus Allmersbach live erleben können. Vor allem das „From Lab to Production“-Portfolio des Sondermaschinenbauers mit durchgängigen Prozessen vom Labor- bis hin zum Produktionsmaßstab, bietet Chancen beim Trend zu kleineren Chargen ein, wie sie Experic im Visier hat.

Onkologie und neue Therapieformen

Natürlich hat Weller auch die schnelle Entwicklung der mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffe aufmerksam verfolgt. Er ist überzeugt davon, dass hier riesiges Potenzial schlummert sowohl für die Entwicklung weiterer Impfstoffe als auch für neue Krebs- und Tumortherapien. Auch hier gibt es hier eine Kooperation mit einem vielversprechenden Start up. Das heißt Leon Nanodrugs sitzt in München und hat eine Reaktortechnologie entwickelt, die Nanoteilchen mit einer definierten Partikelverteilung erzeugt, also genau solche, wie sie für das Herstellen der empfindlichen mRNA-Moleküle gebraucht werden. Noch in diesem Jahr soll es eine Pilotanlage geben, die Lipidnanopartikel herstellt, womit Harro Höfliger einen dicken Pflock in einen weiteren Zukunftsmarkt schlägt.

Und wie geht es mit dem klassischen Maschinenbaugeschäft weiter? „Klar sind wir Sondermaschinenbauer, aber Maschinen können viele bauen. Für uns ist der Prozess entscheidend,“ betont Weller, gemäß der Unternehmensphilosophie „Das Produkt bestimmt den Prozess“.

Wie gerufen kommen daher die neuen Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs). Hoffnungsträger in doppelter Hinsicht: für Patienten, die sich durch die neuen Gen- und Zellbasierten Therapien neue Heilungschancen erhoffen und für findige Maschinenbauer, die analysieren, welche Anforderungen diese Therapieformen an die aseptische Abfüllung stellen – immerhin eines der Spezialgebiete der Allmersbacher. „Die sterile Produktion sowie die aseptische Abfüllung in Beutel, Spritzen oder Vials sind unverzichtbar. Wir haben deshalb eine Technologie zum sterilen Befüllen von Infusionsbeuteln mit empfindlichen biotechnologischen Wirkstoffen entwickelt,“ erzählt der CEO und stellt einen Launch der neuen Technologieplattform im Sommer in Aussicht.

Digitalisierung, ja aber

Die Technologieaufzählung wäre allerdings ohne den Megatrend Digitalisierung nicht vollständig. Die Pharmabranche sei hier eher zurückhaltend, weiß der CEO. Industrie 4.0 sei zwar in aller Munde, aber es gäbe in der Produktion viel Nachholbedarf. Auch deshalb ist Harro Mitglied der Open Industry 4.0 Alliance geworden, einem Netzwerk mit dem Ziel, Industrie 4.0 voranzubringen. Die Entwicklung von IoT-Lösungen betreibe man eigenständig. In Planung sind z.B. verschiedene Apps.

Smart Process Manufacturing Kongress

Der Smart Process Manufacturing Kongress am 3./4. Mai steht in diesem Jahr unter dem Motto „Digitalisierung als Hebel für mehr Nachhaltigkeit“. Erleben Sie zukunftsweisende Impulse und lösungsorientierte Best Practice-Beispiele. Lassen Sie sich inspirieren und nutzen Sie den Austausch unter Experten auf der Netzwerkplattform Nummer 1.

Jetzt anmelden und vom Frühbucherrabatt profitierten!

Intern hat das Unternehmen 2021 ein großes Digitalisierungs- und Vernetzungsprojekt gestartet, „um alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der digitalen Transformation transparent mitzunehmen“. Für weitreichend hält Weller die Implikationen, die Digitalisierung für die Patienten haben können. Visionen gibt es bereits: Mit Sensoren ausgestattete Smart Devices könnten Informationen sammeln, die dem Arzt eine direkte Rückmeldung über die benötigte Medikation geben könnten. Das klingt im ersten Moment gut, hält aber auch Herausforderungen bereit, die Weller klar adressiert. „Wir sprechen hier nicht nur über Medikamente und Technologie sondern auch über Sicherheit und Patientendaten, die geschützt werden müssen.“ Eine Herausforderung, die Harro Höfliger im übrigen in der Kooperation mit Dihesys angehen will und für die der CEO spannende Lösungen verspricht.

Und als ob das nicht schon Trends genug wären, die bespielt werden wollen, kommt jetzt auch noch das Thema Nachhaltigkeit dazu, das die Pharmabranche gerade entdeckt und an ihre Partner und Zulieferer aus dem Maschinenbau weiter gibt.

Und jetzt Maschinenbau in nachhaltig

Auch hier ist man bei Harro dran, hat in bewährter Manier bereits Allianzen geschmiedet und sich gemeinsam mit anderen Firmen der Pharma- und Biotech-Wertschöpfungskette zur „Alliance to Zero“ zusammengeschlossen. Erster Schritt ist eine Roadmap, die beschreibt, wie ein Netto-Null-Emissionskonzept für die pharmazeutische Produktion und Wertschöpfungskette aussehen könnte. Und „Harro“, wäre nicht „Harro“, gäbe es nicht auch bereits eine nachhaltige Lösung im Maschinen-Portfolio. 2020 hat der Lohnverpacker Recipharm im französischen Mons eine Side-Loading-Maschine für das Verpacken von Vials in Betrieb genommen: Die Vials stecken jetzt statt wie bisher in Kunststoff-Trays in Mono-Kartonverpackungen und damit einem Behältnis aus nachwachsendem Rohstoff.

Und wie es weiter geht? „Wir machen aus den Ideen unserer Kunden Produkte und haben dabei immer das Ohr an den Markttrends,“ verspricht Weller. ●

(ID:47898747)