Impfstoff zur Behandlung von Covid-19 Deutsche Pharmaunternehmen im Rennen um Corona-Impfstoff

Redakteur: Wolfgang Ernhofer

Seit das neuartige Coronavirus entdeckt wurde, forschen Pharmaunternehmen weltweit auf der Suche nach einem Impfstoff. Aktuell zählt die WHO rund 200 angelaufene Impfstoffprojekte. Darunter 38 vielversprechende Kandidaten, die sich bereits in der klinischen Phase befinden – davon neun in der abschließenden klinischen Phase 3. Im Rennen um einen wirksamen Impfschutz gegen die Infektionskrankheit sind drei deutsche Unternehmen in der Spitzengruppe vertreten.

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Deutsche Pharma-Unternehmen wollen eine wichtige Rolle bei der internationalen Jagd nach einem Impfstoff gegen Covid-19 spielen.
Deutsche Pharma-Unternehmen wollen eine wichtige Rolle bei der internationalen Jagd nach einem Impfstoff gegen Covid-19 spielen.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Würzburg – Die Uhr tickt und auf dem Weg zurück in eine sorgenfreiere Zukunft warten alle auf Erlösung: Einen wirksamen Schutz gegen die Infektionskrankheit Covid-19 und eine Rückkehr zu gewisser Normalität.

Deshalb forschen in aller Welt Pharmaunternehmen, Institute, Universitäten und deren Partner um einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln. Was bis vor einigen Jahren noch Jahrzehnte benötigt hätte, soll jetzt im Schnelldurchlauf gelingen und trotzdem ein sicheres und wirksames Produkt liefern. Die Europäische Kommission hat sich bereits mit sechs Unternehmen auf die Möglichkeit von Impfstofflieferungen geeinigt. Sanofi zusammen mit GSK, Johnson & Johnson, Curevac, Moderna, Astra Zeneca sowie Biontech sollen Vakzine nach erfolgreicher Entwicklung zur Verfügung stellen.

Mit im Rennen sind zwei deutsche Wettbewerber. Beide sollen mit Millionensummen staatlich gefördert werden und konnten bereits vielversprechende Ergebnisse liefern. Ein dritter Kandidat für Fördermittel steht auch schon bereit und startet in die klinische Phase. Was aber macht diese Unternehmen besonders und wie ist der Stand ihrer Forschungsarbeit?

Biontech

Biontech (Firmenschreibweise BioNTech SE) ist ein börsennotiertes Mainzer Biotechnologieunternehmen mit ca. 1300 Mitarbeitenden. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von aktiven Immuntherapien für einen patientenspezifischen Ansatz zur Behandlung von Krebs sowie anderen schweren Krankheiten fokussiert und liegt derzeit aus deutscher Sicht am besten im Rennen um einen Covid-19-Impfstoff.

Aktuell stehen den Mainzern auch die meisten staatlichen Mittel zur Verfügung. Aus dem neu aufgelegten 750 Millionen Euro schweren Sonderförderungsprogramm zur Beschleunigung der Impfstoffentwicklung und zum Aufbau benötigter Produktionskapazitäten soll Biontech 375 Millionen Euro erhalten. Weitere Förderung erhält das Unternehmen durch europäische Gelder des Projekts Horizon 2020 Innovfin, Fonds für strategische Investitionen.

Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) gibt einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro um Produktionskapazitäten aufzubauen. Ein wichtiger Schritt dabei ist mit Sicherheit die Übernahme des Novartis-Standorts in Marburg. Dort soll der Impfstoff nach erfolgreicher Zulassung produziert werden. Im Erfolgsfall hat sich die Europäische Union bereits vertraglich auf den Ankauf von 200 Millionen Dosen, mit Option auf weitere 100 Millionen, geeinigt.

Biontech forscht gemeinsam mit dem US-amerikanischen Pharmagiganten Pfizer sowie dem chinesischen Pharmaunternehmen Fosun Pharma am BNT162 genannten messenger RNA (mRNA)-basierten Impfstoff. Bei einem mRNA-Impfstoff werden dem Körper Teile des Virus-Erbguts in Form von Nukleinsäuren zugeführt. Anhand dieser mRNA können Zellen Antikörper produzieren. Zur Beschleunigung der Entwicklung haben die Unternehmen den Fast-Track-Status der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erhalten.

In diesen Schritten läuft die Impfstoffentwicklung ab.
In diesen Schritten läuft die Impfstoffentwicklung ab.
(Bild: vfa)

Der Status wurde auf der Grundlage vorläufiger Daten aus Phase-1/2-Studien, die in den Vereinigten Staaten und Deutschland durchgeführt werden, sowie auf der Grundlage von Immunogenitätsstudien an Tieren erteilt. Sollte die am 27. Juli in den USA begonnene Phase-2b/3-Studie erfolgreich verlaufen und der Impfstoff die behördliche Zulassung erhalten, planen die beiden Unternehmen, noch in diesem Jahr rund 100 Millionen Impfstoffdosen und bis Ende 2021 möglicherweise mehr als 1,2 Milliarden Impfstoffdosen in Deutschland, Österreich, Belgien und den USA produzieren zu können. Die Marktzulassung könnte in diesem Fall bereits im Oktober beantragt werden, so Ugur Sahin, Mediziner, Mitgründer und CEO von Biontech.

Curevac

Zweiter vielversprechender Kanditat ist das ebenfalls börsennotierte Tübinger Biopharmazie und -technologieunternehmen Curevac (Firmenschreibweise CureVac N.V.). Die 470 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf auf die Erforschung und die Entwicklung von Arzneimitteln auf Grundlage des Botenmoleküls messenger RNA (mRNA) spezialisiert. Damit ist die Herangehensweise ähnlich der ihrer Mainzer Wettbewerber von Biontech. Mehrheitseigner ist Dievini Hopp Biotech Holding eine Biotech-Venture Capital-Gesellschaft von SAP-Gründer Dietmar Hopp.

Aus dem Fördertopf der Bundesregierung soll das Unternehmen 252 Millionen Euro erhalten um Entwicklung und Produktion zu beschleunigen. Weiterhin erhält Curevac finanzielle Mittel durch die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), einer weltweiten Allianz in öffentlich-privater Partnerschaft zwischen Regierungen, der WHO, der EU-Kommission, Forschungseinrichtungen, der Impfstoff-Industrie und privater Geldgeber. Die Allianz erhielt größere mediale Bekanntheit durch die Beteiligung der Bill & Melinda Gates Foundation. Die als Non-Profit-Organisation gestartete Koalition wurde als Reaktion auf die unvorbereitet eingetretene Ebolafieber-Epidemie 2014 und die Zikavirus-Epidemie 2015/2016 gegründet.

Die gängisten Impfstofftypen gegen Covid-19: Totimpfstoff mit Virusprotein, Lebendimpfstoff mit Vektorviren und RNA-Impfstoff.
Die gängisten Impfstofftypen gegen Covid-19: Totimpfstoff mit Virusprotein, Lebendimpfstoff mit Vektorviren und RNA-Impfstoff.
(Bild: vfa)

Über eine private Finanzierungsrunde durch den Börsengang hat der Impfstoffhersteller insgesamt 560 Millionen Euro eingesammelt. Geldgeber sind u.a. die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 300 Millionen Euro, der britische Pharmakonzern Glaxo-Smithkline (GSK) mit 150 Millionen Euro sowie die Qatar Investment Authority (QIA) und eine Gruppe bestehender und neuer Investoren mit zirka 110 Millionen Euro. Mit GSK wurde auch eine zukünftige Forschungskooperation im Bereich mRNA-Impfstoffe und monoklonale Antikörper vereinbart.

Die Europäische Kommission hat nach Sondierungsgesprächen Ende August einen Vertrag mit Curevac geplant. Nach erfolgreicher Einführung bestehe die Möglichkeit für die EU-Mitgliedsstaaten auf zunächst insgesamt 225 Millionen Dosen Impfstoff zuzugreifen, so die EU.

Eine weitere Kooperation pflegt das Biopharmaunternehmen mit dem US-Konzern Tesla über dessen Tochterunternehmen Tesla Grohmann Automation. Grohmann Engineering wurde 2017 von Tesla übernommen und arbeitete bereits seit längerem mit Curevac an Mikro-Fabriken zur mobilen Impfstoffproduktion. Die RNA-Drucker können laut den Unternehmen innerhalb weniger Wochen mehr als hunderttausend Impfstoff-Dosen herstellen. Der Bioreaktor sei zum einen für die Herstellung personalisierter Medikamente im Krankenhausumfeld gedacht, zum anderen aber auch für eine schnelle Lieferung in Regionen, in denen eine Epidemie ausbricht. Die Anlage wurde in diesem Sommer als Bioreactor For RNA In Vitro Transcription bereits zum Patent angemeldet.

Die Forschung am Impfstoff CVnCoV befindet sich in der klinischen Phase 1/2 und hinkt damit den Spitzenreitern um einige Wochen hinterher. Der Impfstoff soll im Frühjahr oder Sommer 2021 seine Zulassung erhalten, so das Unternehmen. Dietmar Hopp will, dass Curevac das „Rennen um den besten Impfstoff“ mit einem lang anhaltenden Impfschutz bei niedriger Dosierung gewinnt. Deshalb werde das Unternehmen nicht das erste sein, welches eine Zulassung erhält, prognostiziert der Mehrheitseigner im Handelsblatt-Interview.

IDT Biologika

Dritter im Bunde der deutschen Pharmahersteller bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs ist das Dessauer Biopharmaunternehmen IDT Biologika. Mit 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland und in den USA entwickelt und produziert die zur Klocke-Gruppe gehörende GmbH biotechnologisch hergestellte Impfstoffe und Pharmazeutika.

Auch hier will die Bundesregierung mit Fördermitteln unter die Arme greifen, um Weiterentwicklung und Kapazitätsaufbau zu unterstützen. Die Fördergespräche stehen laut Forschungsministerin Anja Karliczek kurz vor Abschluss und es gehe nur noch um technische Fragen.

Die Pharmafirma wird einen vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Zusammenarbeit mit der LMU München, der Universität Magdeburg und dem UKE Hamburg entwickelten Impfstoff gegen Sars-Cov-2 produzieren. Im Unterschied zu den Impfstoff-Kandidaten von Biontech und Curevac handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Für diesen werden gentechnisch veränderte und harmlose Viren als Träger für die genetischen Informationen des Coronavirus genutzt. Die Viren sind nicht vermehrungsfähig, die eingeschleuste Gen-Information täuscht dem Immunsystem jedoch eine Infektion vor und regt die Produktion von Antikörpern und einer zellulären Immunität an.

An diesen Standorten wird in Deutschland an der Entwicklung und Produktion eines Covid-19-Impfstoffs gearbeitet.
An diesen Standorten wird in Deutschland an der Entwicklung und Produktion eines Covid-19-Impfstoffs gearbeitet.
(Bild: vfa)

Der bei IDT abgefüllte Vektorimpfstoff wurde unter Leitung von Professor Gerd Sutter, Virologe an der LMU München, im DZIF entwickelt und basiert auf dem „Modifizierten Vacciniavirus Ankara“ (MVA), das schon vor mehr als 30 Jahren als Impfstoff gegen Pocken entstand. Es kam zudem bereits erfolgreich und mit sehr guter Verträglichkeit bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Mers-Coronavirus zum Einsatz, das auf der Arabischen Halbinsel vorkommt, von Dromedaren mit oft tödlichen Folgen auf den Menschen übertragen wird und eng mit Sars-Cov-2 verwandt ist, so IDT Biologika in einer Pressemeldung.

Derzeit befindet sich der Impfstoff kurz vor der Klinischen Phase 1, die ab Ende September am UKE Hamburg anlaufen soll. Die Forschungspartner wollen den Impfstoffkandidaten möglichst zügig in die nächsten klinischen Phasen bringen.

Zulassung eines Corona-Impfstoffs

Für eine Impfstoffzulassung in der EU ist die europäische Arzneimittelagentur EMA zuständig. In Zusammenarbeit mit den entsprechenden Behörden der Mitgliedsstaaten arbeitet die EMA am Zulassungsverfahren. Fokus liegt dabei darauf, dass der Impfstoff sicher, wirksam und verträglich ist und sich dies durch die drei klinischen Studien ausreichend belegen lässt. Deutscher Ansprechpartner für die EMA ist die Bundesoberbehörde Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.

Als möglicher Flaschenhals für die Versorgung wurde die Verfügbarkeit von Abfüllanlagen und Durchstichfläschchen ausgemacht, so die Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Die Bundesregierung will deshalb neben der Impfstoffentwicklung den Ausbau von Abfüllanlagen mit bis zu 250 Millionen Euro fördern. Drei große Anbieter und die CEPI haben ausreichend Kapazität an Glaswaren in Aussicht gestellt.

Wann kann in Deutschland geimpft werden?

Aktuell ließe sich keine präzise Aussage dazu treffen, wann die ersten Menschen in Deutschland gegen die Atemwegserkrankung geimpft werden können, so die Experten, aber es sei Licht am Ende des Tunnels. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Klaus Cichutek, zeigt sich zuversichtlich und rechnet Ende des Jahres und Anfang 2021 mit Zulassungen für Impfstoffe, welche die positiven Phase-3-Prüfungsdaten vorweisen können. Diese könnten auch unter Auflagen erfolgen, weitere Daten nachzuliefern. „Hier werden keine Abstriche bei der Sicherheit gemacht, nur ein sorgfältig geprüfter Impfstoff wird den Menschen zur Verfügung stehen“, so Cichutek auf der Bundespressekonferenz.

So lange läuft die Uhr weiter bis zur Bereitstellung getesteter, ausreichend großer Mengen an Impfstoffen und es bleibt das Hoffen auf ein baldiges Ende des Wettrennens und der Pandemie.

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