China Market Insider Der Markt für Biosimilars in China beschleunigt von 0 auf 100

Von Henrik Bork

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Der Markt für Biosimilars erlebt in China eine Phase explosiven Wachstums. Erst 2019 ist das erste Medikament dieser Art in der Volksrepublik zugelassen worden. Und schon schätzt die Beratungsagentur McKinsey, dass sich der Markt für Biosimilars in China in den kommenden Jahren von umgerechnet 1,7 Milliarden Euro auf rund 6,9 Milliarden Euro vervierfachen könnte - von 2018 bis 2025.

Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
Mit dem Format „China Market Insider“ berichtet PROCESS regelmäßig über den chinesischen Chemie- und Pharmamarkt.
(Bild: ©sezerozger - stock.adobe.com)

Peking/China – Ein Beispiel für die rasante Entwicklung, die diese weltweit noch recht junge Nische der Pharma-Industrie in China nimmt, ist der Markt für Bevacizumab. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper für die Krebstherapie. Mit seinem Original „Avastin“ dominiert Roche momentan „noch immer etwa drei Viertel des chinesischen Marktes für Bevacizumab, heißt es im „PharmaUpdate” der deutschen Exportinitiative Gesundheitswirtschaft.

Nun aber kommt der Markt für Bevacizumab in China „stark in Bewegung“, schreibt PharmaUpdate. „Ein Viertel entfällt bereits auf ein Biosimilar des chinesischen Herstellers Qilu Pharmaceutical.” Der hatte die heimische Zulassung für sein Nachahmer-Produkt im Dezember 2019 erhalten - hat aber selbst inzwischen schon wieder Konkurrenz von drei weiteren chinesischen Produzenten bekommen.

InnoventBio und BoAn, ein Tochterunternehmen der LuYe Pharma Group sowie die „Suzhou Shengdiya Biopharmaceutical Co., Ltd.“, haben ebenfalls „Biogenerika“ von Bevacizumab auf den Markt gebracht. Und das ist erst der Anfang. Etwa ein halbes Dutzend weitere Biosimilars desselben Typs warten derzeit in der Genehmigungsschleife, heißt es in anderen Berichten.

Einem anderen Markbericht zufolge könnten „in den nächsten drei Jahren sechs bis sieben weitere Hersteller von Bevacizumab in China Biosimilars auf den Markt bringen, so dass sich dann bis zu zehn Produzenten diesen großen Kuchen untereinander aufteilen und sich Marktanteile sichern werden.“

"Markt für Biosimilars in China wird explodieren"

Und der hier aufzuteilende Kuchen ist groß. In den kommenden Jahren werde „der Markt für Biosimilars in China explodieren“, glaubt das Fachportal Yaozhi Wang. Noch sei die Anzahl der Zulassungen überschaubar, doch gebe es in China jetzt schon die „größte Zahl von F&E-Pipelines der Welt“, schreibt Yaozhi Wang.

Statistiken zeigen, dass 180 chinesische Hersteller Biosimilars produzieren und momentan 399 verschiedene Medikamente entwickeln. Die Hauptziele seinen dabei CD20, EFGR, VEGF, TNF, RANKL, HER2, und es geht unter anderem um rituximab, trastuzumab, Bevacizumab, Adalimumab und zusätzlich um mehr als 50 innovative Medikamente. „Es kann vorhergesagt werden, dass der Wettbewerb unter chinesischen pharmazeutischen Unternehmen in den kommenden Jahren scharf sein wird,“ schreibt Yaozhi Wang.

China sei noch immer ein Entwicklungsland und teure ausländische Biosimilars hätten daher relativ kleine Marktanteile am gesamten Pharma-Markt, analysiert das chinesische Pharma-Portal. Die im Vergleich zu originären Biopharmazeutika geringeren Entwicklungskosten von Biosimilars - gekoppelt mit der weltweit größten Anzahl von Krebskranken - sind für chinesische Pharma-Unternehmen und ihre Investoren daher sehr ermutigend.

Der Preis für das Biosimilar HLX beispielsweise beträgt derzeit 1398 chinesische Yuan (rund 183 Euro) pro 100mg:10ml. Das sei etwa 42% billiger als das Original-Medikament, das momentan für umgerechnet etwa 316 Euro für dieselbe Menge zu haben sei, rechnet Yaozhi Wang vor.

Die chinesische Genehmigungsbehörde NMPA hat in relativ kurzer Zeit mehr als 200 Biosimilars zugelassen. Dieses Tempo ist ein deutlicher Kontrast zu den vorsichtigen Europäern und völlig verschieden von dem Schneckentempo, in dem die US-amerikanische Genehmigungsbehörde FDA bislang neue Biosimilars zugelassen hat.

Chinesische Regierung drückt bei Biosimilars aufs Gas

Chinas Regierung arbeitet Medienberichten zufolge gerade daran, dieses Tempo der Zulassungen für Biosimilars noch weiter zu erhöhen. Sie weiß dabei ihre Bevölkerung hinter sich, denn die meisten Krebskranken in China, vor allem in relativ unterversorgten Kliniken in der Provinz, haben deutlich geringere Überlebenszeiten nach einer Krebsdiagnose als Menschen in Europa und den USA. Die meisten Produkte ausländischer Hersteller sind für die überwiegende Mehrheit der Chinesen einfach noch komplett unerschwinglich.

Die Zentralregierung in Peking übt seit Jahren starken Druck auf ausländische Hersteller aus, um die Preise zu drücken und den Zugang heimischer Patienten zu modernen Therapien zu verbessern. Bevor sie etwa die Aufnahme des Biosimilars „Rituxan in die wichtige NRDL-Liste essentieller Medikamente aufnahm - nur so werden Pharmazeutika in China von den staatlichen Versicherungsträgern bezahlt - musste Roche seine Preise dafür „in etwa halbieren“, schreibt das Fachmedium „Pharma Boardroom“ in einer Analyse des chinesischen Biosimilars-Marktes.

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Gleichzeitig drängten chinesische Konkurrenten wie Henlius Biotech, eine Tochter von Fosun Pharma, mit Nachfolge-Medikamenten auf den Markt. Sein Produkt „HLX01“ ist ein Biosimilar des Roche-Bestsellers Rituxan und war am 22. Februar 2019 das allererste Biosimilar, das in der Volksrepublik zugelassen wurde. Während die chinesischen Konkurrenten langsam a ber stetig Marktanteile erobern, müssen ausländische Pharma-Konzerne also gleichzeitig starke Preisnachlasse akzeptieren, um weiter auf dem chinesischen Markt mitverdienen zu dürfen.

Oft sind es in den USA ausgebildete Wissenschaftler chinesischer Herkunft, die sich - großzügig mit Investorengeldern ausgestattet - auf den lukrativen und zugleich riskanten Markt für Biosimilars in China einlassen. Sie sind dabei von Profitdenken getrieben, aber auch von Patriotismus.

Pharma-Patriotismus mit ernstem Hintergrund

Die „heimische Substitution“ der Biomedizin ist ihnen ein Herzensanliegen, wie zahlreiche chinesische Interviews und Medienberichte zeigen. Diese chinesischen Rückkehrer aus den USA oder Europa wollen diesen Markt nicht länger einigen wenigen multi-nationalen Pharmakonzernen überlassen, während Millionen von Chinesen in Chinas Krankenhäusern ohne Zugang zu solchen Medikamenten sterben. Die Regierung in Peking unterstützt die Entwicklung der heimischen Industrie aus ähnlichen Motiven, sieht zudem eine gute Chance, eine neue Wachstumsindustrie von Anfang an systematisch aufzubauen. Besonders seit Beginn des Handelskrieges mit Washington ist die „heimische Substitution“ auch im Bereich Biomedizin zu einem Lieblingsthema der von der Kommunistischen Partei gelenkten Medien geworden.

Ein ernster, unpolitischer Hintergrund für das inzwischen fast überhitzte Marktgeschehen im Bereich Biosimilars ist aber eben auch, dass die Zahl der Krebspatienten in China äusserst schnell ansteigt. Im Jahr 2020 habe es 4,57 Millionen neu mit Krebs diagnostizierte Patienten in China gegeben, schreibt SinoHealth in seinem Bericht, 23,7 Prozent aller Neupatienten weltweit. Im vergangenen Jahr seien etwa drei Millionen Menschen in China an Krebs gestorben, rund 30 Prozent aller tödlichen Krankheitsverläufe weltweit. Das schnelle Tempo der Zulassungen von Biosimilars in China, das sich zum Teil durch solche Zahlen erklärt, lässt den Wettbewerb in diesem Segment inzwischen selbst für die erfolgreichsten Multis der globalen Pharma-Industrie sehr schwer werden. „Pfizer stoppt Biosimilar-Programm auf dem übervollen chinesischen Markt, verkauft Fabrik an WuXi Biologics,“ titelte das Fachmedium Flerce Pharma im März dieses Jahres.

Man sei nach einer „umfassenden Überprüfung des chinesischen Biosimilar-Marktes und des globalen Herstellungs-Netzwerkes“ von Pfizer zu dieser „schwierigen Entscheidung“ gelangt, wird Pfizer in dem Bericht zitiert. In der nun an die Chinesen verkauften Produktionsanlage in Hangzhou südlich von Shanghai hatten die Amerikaner 2016 rund 350 Millionen US-Dollar investiert, um Biosimilars ihrer Krebsmedikamente Avastin und Herceptin und andere Blockbuster-Medikamente zu produzieren. Nun gehört sie also dem aggressiv expandierenden chinesischen CDMO-Riesen Wuxi Biologics.

Noch suchen chinesische Pharma-Konzerne die Kooperation mit ausländischen Partnern. So hat die LuYe Pharma Group im Mai dieses Jahres AstraZeneca die Vermarktung seines Krebsmedikamentes Boyounuo in China anvertraut. Dabei handelt es sich um ein Biosimilar der Bevacizumab-Injektion von Roche.

In 21 Teilmärkten Chinas wird AstraZeneca mit seinem hoch professionellen Verkaufsteam nun das Medikament des chinesischen Startups in die Kliniken bringen. Auch dieser Deal ist nur ein Beispiel für viele Kooperationen dieser Art in der chinesischen Pharma-Industrie. Die chinesischen Aufsteiger der Branche profitieren dabei von den langjährigen Erfahrungen und den Vertriebsnetzwerken der ausländischen Konzerne. Produzieren aber wollen sie die Medikamente in Zukunft lieber selbst.

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

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