Fachkräfte Der Ingenieur der Zukunft muss smarter sein als die Maschinen, mit denen er arbeitet

Autor / Redakteur: Nitesh Bansal / Wolfgang Ernhofer

Obwohl Deutschland nicht mit einem bundesweiten Fachkräftemangel zu kämpfen hat, sind in einigen Branchen wie MINT und Gesundheitswesen viele Stellen unbesetzt. Die Rekrutierung von Fachkräften stellt Unternehmen vor große Herausforderungen.

Anbieter zum Thema

Zukünftige Ingenieure müssen traditionelle Kompetenzen mit spezialisierten Qualifikationen auf sich vereinen.
Zukünftige Ingenieure müssen traditionelle Kompetenzen mit spezialisierten Qualifikationen auf sich vereinen.
(Bild: gemeinfrei / Pexels )

Mit dem Voranschreiten der Industrie 4.0 verstärkt sich die Personal-Problematik, denn spezialisierte Arbeitskräfte werden insbesondere aus dem MINT-Bereich dringend benötigt, um die Digitalisierung der industriellen Produktion und damit Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum voranzutreiben – nicht nur für Unternehmen, sondern letztlich auch für Deutschland als Wirtschaftsmacht. Was die Situation noch komplexer macht: Zusätzlich zu ihren Fachkompetenzen müssen MINT-Mitarbeiter geschult und ausgebildet werden, um den Anforderungen einer Smart Factory oder Factory of the Future gerecht zu werden.

Fachkräftemangel in Deutschland

Laut aktueller Zahlen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind viele Unternehmen bereits akut vom Fachkräftemangel betroffen. Mehr als 60 Prozent sehen diesen gar als Bedrohung für ihre Geschäftsentwicklung an. Die Personallücke schafft zudem große Unsicherheiten bei den Unternehmen, wenn sie ihre digitale Transformation und einhergehende Investitionen planen – so die Ergebnisse der jährlichen Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Ein Grund für dieses Phänomen ist der demografische Wandel und die Alterung der Erwerbsbevölkerung in den Industrieländern. Die deutsche Wirtschaft verliert mehr Menschen als ins Berufsleben einsteigen. Eine Beispielprognose des BMWi für Deutschland: Bis 2030 wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20 bis 65 Jahre) auf 45,9 Millionen Menschen sinken – im Jahr 2060 fällt diese Zahl sogar noch weiter auf 35,7 Millionen Menschen. Darüber hinaus wird das Wissen oft nicht im erforderlichen Umfang dokumentiert. Dies betrifft insbesondere Aufgaben und Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Fachwissen und Fähigkeiten erfordern.

Mitarbeiter spezialisieren

Eine engagierte Belegschaft zu finden, kann eine große Herausforderung sein. Aber angesichts der Anforderungen von Industrie 4.0 benötigen Unternehmen darüber hinaus spezialisierte Arbeitskräfte, die in der Lage sind, bestimmte anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen. Das bedeutet, dass Unternehmen sowohl für die bereits vorhandenen Arbeitskräfte als auch für junge Berufstätige, die in den Arbeitsmarkt eintreten, gezielte und effektive Schulungen anbieten müssen. Diese bereiten alle Beteiligten darauf vor, ihre täglichen Aufgaben in einem komplexen und technischen Umfeld zu erledigen. Dabei ist es besonders wichtig, dass Trainings so entwickelt und durchgeführt werden, dass jeder – unabhängig vom aktuellen Wissenstand – lernen und sich weiterentwickeln kann. Da sich die Industrie 4.0 und Smart Factories stetig weiterentwickeln, muss auch der Lernprozess kontinuierlich sein.

Wie sich die MINT-Kompetenzen verändern müssen

Aber welche Kompetenzen und Expertise braucht ein hochspezialisierter Experte, zum Beispiel ein Ingenieur für die Fabrik der Zukunft? Eine aktuelle Studie des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erstellte auf Grundlage einer Umfrage unter Branchenexperten das Profil eines „idealen“ Ingenieurs der Zukunft. Derzeit werden Ingenieure während ihrer Ausbildung nicht auf den digitalen technologischen Wandel vorbereitet und benötigen ein „Training on the Job“, um spezielle Qualifikationen und Kompetenzen zu erlernen. Neben ihrer eher traditionellen ingenieurwissenschaftlichen Kompetenz müssen Mitarbeiter bei ihrem jeweiligen Arbeitgeber branchenspezifische Qualifikationen wie Automatisierung, Sensorik, vernetzte Produktion, Systemtechnik, Maschine Learning, künstliche Intelligenz oder Robotik erlernen.

In einer idealen Welt bedeutet dies, dass Unternehmen traditionelle Kompetenzen, kombiniert mit spezialisierten Qualifikationen, erwarten. Nicht nur der Ingenieur, der Maschinen baut, sondern auch die Fabrikarbeiter und Bediener der unterschiedlichen Maschinen der Fabrik der Zukunft müssen über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen, um mit Robotern oder Cobots zu kommunizieren, Daten zu verstehen, Augmented und Virtual Reality zu nutzen und grundlegende Fehlerbehebungen mithilfe von Technologie durchzuführen.

Um die Industrie 4.0 weiterzuentwickeln, müssen Universitäten und Unternehmen enger zusammenarbeiten und eine interdisziplinäre Wissensvermittlung sicherstellen – theoretische Studieninhalte müssen durch praktische Erfahrungen ergänzt werden, idealerweise bereits in einer frühen Phase.

Die Industrie 4.0 ist keine Ein-Mann-Show, sondern benötigt Zusammenarbeit und zukunftsorientierte Partnerschaften, um zu gewährleisten, dass die Arbeitskräfte der Zukunft in der Lage und bereit für intelligente Fabriken sind – und damit Unternehmen und am Ende die Wirtschaft selbst antreiben.

Der Text erschien zuerst auf dem Portal unserer Schwestermarke https://www.industry-of-things.de/.

* Nitesh Bansal ist Senior Vice President und Global Head of Engineering Services bei Infosys. Er ist seit 1998 im Unternehmen und setzt vor allem auf neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning und Prozessautomatisierung ein. Bansal ist regelmäßiger Referent an anerkannten Business Schools wie der ETH Zürich, der Rotterdam School of Management und der Universität St. Gallen. Er ist zusätzlich Mitglied des Industry Advisory Board des Tauber Institute of Global Operations, der Ross School of Business und der University of Michigan, wo er die Gremien für Führung und Programmierung leitet.

(ID:46065472)