Pharmamarkt China Der chinesische Pharmamarkt tritt aus dem Schatten
Die Finanzkrise ist zwar noch nicht ausgestanden, doch die chinesische Pharmaindustrie lässt sich davon wenig beeindrucken: Die Produktion wächst seit Jahren stabil, die Investitionen in Forschung und Entwicklung steigen, und Outsourcing-Aktivitäten nehmen zu. Das Riesenland erhöht die Investitionen in Arzneimittel und Syntheseverfahren. Dadurch präsentiert sich das Land als günstiger Pharmastandort und rückt auch in den Blick internationaler Pharmazeutika-Unternehmen.
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Die Pharmaindustrie ist eine der am schnellsten wachsenden Branchen Chinas, sodass ihre Produktion seit 2000 jährliche Zuwachsraten von über 18 Prozent verzeichnen kann. 2008 stieg die Produktion gegenüber dem Vorjahr um 25,7 Prozent auf 866,7 Milliarden RMB (etwa 126,8 Milliarden US-Dollar) und lag damit vier Prozent über dem Gesamtdurchschnitt der chinesischen Industrie. Für 2009 erwartet die chinesische Pharmaindustrie eine Steigerung des Produktionswerts auf eine Billion RMB (etwa 146,2 Milliarden US-Dollar). Zudem ist China weltweit größter Produzent und Exporteur von pharmazeutischen Wirkstoffen (API): Aktuell werden insgesamt 1500 verschiedene Wirkstoffe (ohne chemische Zwischenprodukte und Arzneimittelvorstufen) mit einem Bruttoproduktionsvolumen von zwei Millionen Tonnen in China hergestellt. Auch die Produktion biopharmazeutischer Arzneimittel und von Fertigprodukten auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin wächst.
Während die Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Umsätze mit Pharmazeutika in den letzten zehn Jahren gewachsen sind, ist jedoch gleichzeitig die Zahl neuer Wirkstoffe rückläufig. Weil zudem auch viele Marken kurz vor Ablauf des Patentschutzes stehen, wird der Generika-Sektor ein zunehmend wichtiger Markt für Pharmaunternehmen. Hier bietet China einiges Potenzial. Denn die chinesischen Hersteller zeichnen sich
durch geringe Produktionskosten sowie enorme Produktionskapazitäten aus – Eigenschaften, die bei der Forschung und Entwicklung von Generika gefragt sind. Deshalb setzt ein Großteil der chinesischen Hersteller bislang hauptsächlich eher auf Nachahmerprodukte und produziert mit einfachen Herstellungstechniken herkömmliche Generika.
Technologische Fortschritte und neue Projekte
Chinesische Pharmaunternehmen erkennen jedoch zunehmend die Bedeutung wissenschaftlicher und technologischer Innovationen und erhöhen ihre Investitionen in diesen Bereichen. Dies hat die industrielle Produktion neuer chemischer Arzneimittel und von Mitteln, die aus der traditionellen chinesischen Medizin stammen, sowie von Biopharmazeutika vorangetrieben. Beispiele sind das Hepatitismittel Bicyclol und das Schlaganfall-Medikament Butylphthalid, die im industriellen Maßstab hergestellt werden. Fortschritte gemacht hat auch die Herstellung der Cephalosporinvorstufen 7-ACA (7-Aminocephalosporansäure) und 7-ADCA (7-Aminodesacetoxycephalosporansäure), was den Durchbruch für Chinas Cephalosporin-Produktion bedeutet. Auch bei den Biopharmazeutika hat sich einiges getan: u.a. kam das weltweit erste Gentherapeutikum auf Basis des Tumorsuppressorgens p53 auf den Markt. Bei der Herstellung von Vitamin E ist China führend, da sich Synthesetechnologien und Produktionsausrüstung für die Schlüsselzwischenprodukte Isophytol und Trimethylhydrochinon weiter entwickelt haben.
Einige wichtige Pharmaprojekte wurden in den letzten Jahren unter staatlicher
Leitung ins Leben gerufen:
- 2007 schlossen ShiJiaZhuang Pharmaceutical Group, HuaBei Pharmaceutical Group, HaYao Pharmaceutical Group und LuKang Group eine strategische Allianz, um Herstellungstechnologien für Antibiotika zu entwickeln. Unterstützt wurden sie vom Biotechnologie-Zentrum des Wissenschaftsministeriums.
- 2008 demonstrierte ChenXin Pharmaceutical die industrielle Herstellung des Hepatitis B-Medikaments Adefovir. Das Unternehmen hat dafür zehn Millionen RMB aus einem nationalen Förderprogramm für High-Tech-Entwicklungen erhalten. Das Projekt beinhaltete eine Produktionsanlage, eine Tablettenproduktionslinie sowie eine F&E-Plattform und erreichte nach Fertigstellung eine jährliche Produktionskapazität von sechs Tonnen API.
- 2009 investierte HuaBei Pharmaceutical Group zwei Milliarden RMB, um einen neuen Park zu gründen und das Antibiotika-Cephalosporin-Projekt zu initiieren. Infolgedessen wurde das Unternehmen umstrukturiert und modernisiert. HuaBei wird eine komplette Produktionslinie für Cephalosporin-Antibiotika einrichten.
Mergers and Akquisitions werden weiter zunehmen
In einer Zeit, in der die Finanzkrise auf den globalen Pharmamarkt übergreift und sich die Forschung und Entwicklung von neuen Arzneimitteln in einer tiefen Talsohle befindet, sehen sich die weltweit operierenden Unternehmen mit dem Problem konfrontiert, das Wachstum stabil zu halten. Die Folge ist eine wachsende Anzahl von Fusionen und Übernahmen (M&A) unter den Unternehmen. Denn M&A ermöglichen es, Produktionslinien aufzubauen, die sich ergänzen, vorteilhafte Ressourcen zu integrieren, Markterweiterungen herbeizuführen und sich höhere Umsatzziele zu stecken. Beispielsweise erwarb 2009 Pfizer das Unternehmen Wyeth für 68 Milliarden US-Dollar und konnte sich nach der Fusion als einer der bedeutendsten Arzneimittelhersteller etablieren. Die große Zahl chinesischer
Pharmahersteller setzt sich hauptsächlich aus Kleinbetrieben zusammen. So teilen sich die drei chinesischen Spitzenhersteller nur etwa fünf Prozent des gesamten chinesischen Pharmamarkts, während zum Vergleich die drei weltgrößten Unternehmen 16 Prozent des Weltmarkts beherrschen. Experten zufolge sind M&A deshalb für die Entwicklung der chinesischen Pharmabranche unvermeidlich und werden für die Zukunft verstärkt erwartet.
Eine Analyse auf Basis der Übernahmedaten von 2004 bis 2006 zeigt, dass 86 Prozent der Übernahmekosten von inländischen Pharmaunternehmen getragen werden, wobei die M&A-Partner größtenteils Privatunternehmen sind. Private Pharmaunternehmen stellen 47 Prozent der M&A-Finanzmittel, womit der Anteil höher liegt als der Anteil der staatseigenen Unternehmen mit 39 Prozent. Im Vorfeld der Fusion oder Übernahme führen die Privatunternehmen extensive Ermittlungen durch. Sie haben genaue Zielvorstellungen und zeigen auch bei der Gebotsabgabe viel Vorsicht. Im Zuge der fortschreitenden Entwicklungen auf dem chinesischen Markt und aufgrund des großen Marktpotentials wird sich die aktuelle Situation in den nächsten Jahren stark wandeln.
Auftragsforschung zur Entwicklung neuer Arzneimittel
Die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel ist eine schwierige Aufgabe und benötigt hohe Investitionssummen. Und nur in seltenen Fällen besitzt ein Unternehmen Erfahrung in allen Prozessschritten, sodass das Outsourcing bei Forschung und Entwicklung an Bedeutung gewinnt: Nach einer Analyse des Beratungsunternehmens Shanghai Modular R & D sind aktuell etwa 138 Auftragsforschungsinstitute (CRO) auf dem chinesischen Markt vertreten, die sämtliche Schritte im pharmazeutischen Forschungs- und Entwicklungsprozess übernehmen können. Dazu zählen z.B. das Screening von Verbindungen, Tierstudien sowie klinische Studien, an denen möglicherweise hunderte bzw. tausende von Patienten teilnehmen. Bis 2012 wird der chinesische CRO-Markt etwa 240 Millionen US-Dollar einnehmen, schätzen Experten, und auf dem Niveau von 18 Prozent weiter wachsen. Dementsprechend herrscht hier allgemein ein großer Wettbewerb.
Auf dem Markt der präklinischen Studien haben sich die chinesischen CROs in der Vergangenheit auf den ertragsschwachen Schritt des Verbindungs-Screenings konzentriert. Heute jedoch
betreten sie zunehmend das gewinnträchtige Feld der Forschung und Entwicklung, beispielsweise mit Toxikologieforschung, Tierstudien und pharmakokinetischen Untersuchungen am Menschen. Auch beim Outsourcing klinischer Studien bietet China Vorteile: Durch die weltweit größte Bevölkerung verkürzt sich die Rekrutierungszeit von Studienteilnehmern, was sich auf die Einführungszeit neuer Arzneimittel positiv auswirkt. Denn laut Statistik kommt es hier auf jeden Tag an: Ein einziger Verzugstag bei der Einführung kann einen Verlust von bis zu acht Millionen US-Dollar bedeuten.
Trends in der Forschung und beim Outsourcing
Zusätzlich zu den Vorteilen, die China im Bereich präklinischer und klinischer Studien bietet, sind auch die relativ niedrigen Forschungskosten beim Outsourcing günstig, wovon internationale Unternehmen profitieren können. Während z.B. ein Ph.D.-Abschluss in Biotechnologie in den westlichen Ländern bis zu 100 000 US-Dollar kostet, fallen in China hierfür lediglich ein Viertel der Kosten an. Gleichzeitig hat sich die Qualität der Studien verbessert, sodass internationale CROs in den chinesischen Markt eingetreten sind und die Zahl der Anträge für klinische Studien an die chinesische State Food and Drug Administration (SFDA) in den letzten Jahren enorm zugelegt hat.
Nach der GMP-Restrukturierung haben viele Pharmaunternehmen ihre Produktionskapazitäten ausgebaut, jedoch liegt die gesamte Anlagenauslastung chinesischer Pharmahersteller bei nur 55,3 Prozent. Die höchste Auslastung, jedoch auch nur etwa 72 Prozent, ist bei Injektionsmitteln zu beobachten, während bei flüssigen Darreichungsformen die Auslastung bei nur etwa 38 Prozent liegt. An dieser Stelle könnte sich Outsourcing als wichtiges Werkzeug erweisen, um das Problem der ungenutzten Kapazitäten zu lösen. Deshalb ermutigt die chinesische Regierung die Hersteller, Outsourcing-Dienste bei der Produktion anzubieten.
Wie wird sich der chinesische Pharmamarkt entwickeln?
Der chinesische Pharmamarkt erlebt schon seit einigen Jahren eine schnelle Entwicklung, die auch den globalen Pharmaunternehmen nicht verborgen geblieben ist. Die stabilen Wachstumsraten der Produktion, die technologischen Fortschritte, das niedrige Kostenniveau und die Outsourcing-Möglichkeiten schaffen günstige Bedingungen, sodass Pharmaunternehmen verstärkt in China investieren und bereits begonnen haben, ihre Entwicklungszentren dorthin zu verlagern. Auch die Investitionen in Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln haben in China in den letzten Jahren stark zugenommen – und Experten gehen davon aus, dass dieser Trend auch zukünftig noch anhalten wird.
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