Frischelogistik mit System Depotlose Distribution wird Wirklichkeit
Ab Anfang 2011 startet mit FRESHParcel der erste Paketdienst für Frischprodukte, die zwischen +2 und +7 Grad Celsius gekühlt werden müssen. Das Unternehmen bedient sich dabei einer neuen Distributionsmethodik, die völlig ohne Depots auskommt. Wie das FRESHParcel-System genau funktioniert, erklärt FRESHParcel-Geschäftsführer Marc Hackländer.
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Frage: Wir alle kaufen und konsumieren nahezu täglich Lebensmittel aus dem Kühlregal. Und jeder weiß, dass Kühlprodukte schon heute von A nach B transportiert werden, ohne dass sie dabei verderben. Auf der anderen Seite gibt es mehr als eine Handvoll Paketdienstleister und Speditionen, die die verschiedensten Lösungen anbieten. Dennoch sagen Sie, der Markt hätte geradezu auf Sie gewartet. Was macht Sie so sicher?
Marc Hackländer: Weil wir ganz genau wissen, was wir tun. Wir steigen mit einer technischen Neuheit in eine Nische ein, die obendrein enormes Wachstumspotenzial hat. Dadurch können wir mit weniger Aufwand eine günstigere Leistung als herkömmliche Anbieter erzielen – und das bei steigendem Bedarf im Temperaturbereich von +2 bis + 7 Grad Celsius.
Frage: Was unterscheidet Sie von herkömmlichen Paketdiensten?
Hackländer: Unser einzigartiges Distributionssystem. Anders als klassische Distributionssysteme brauchen wir nur ein Gebäude in der Mitte von Deutschland, wo wir die nächtliche Sortierung vornehmen. Alles andere machen wir mit Speditionsbetrieben in der Region, die wir als Partner für die Abholung und Zustellung einbinden. Sie befördern die Sendungen in geschlossenen Wechselboxen, die man von einem Fahrzeug auf das nächste umladen kann, ohne die Waren anzufassen. Auf diese Weise nehmen wir den Umschlag vor und sparen uns die vielen regionalen Niederlassungen, die herkömmliche Paketdienstleister haben.
Frage: … weshalb Sie das neue System auch als »depotlose Distribution« bezeichnen.
Hackländer: Richtig. Das einzige, was unsere Systempartner brauchen, sind 6 bis 7 speziell ausgestattete Nahverkehrsfahrzeuge mit Wechselbehälter und eine Fläche von circa 1500 Quadratmetern – wir nennen diese Fläche FreshPoint. Dort laufen am frühen Abend die Fäden zusammen, das heißt dort laden die einzelnen Fahrzeuge, die tagsüber Sendungen eingesammelt haben, ihre Wechselbehälter ab. Das Ganze passiert an 58 Orten in Deutschland, denn so viele FreshPoints wird es geben. Dort werden die Wechselbehälter auf ein Fernverkehrsfahrzeug umgesetzt, sieben Stück passen auf einen solchen Sattelzug. Mit diesen sieben Kühlboxen fährt das Fahrzeug zum Hub.
Frage: Was passiert dort?
Hackländer: Das Fahrzeug dockt quer an, die Boxen werden geöffnet und die Corletten in die Kühlhalle hineingezogen – und dann beginnt der Sortiervorgang, der im Übrigen alle Standards nach HACCP erfüllt. Das Besondere ist, dass unser IT-System zu diesem Zeitpunkt schon alle Sendungsaufträge verarbeitet und zu entsprechenden Touren zusammengestellt hat. Das heißt, schon am Hub werden diese Nahverkehrstouren in der Reihenfolge der Auslieferung auf Boxen zusammengestellt, dann fahren wir wieder sieben Behälter auf einem LKW zum Fresh-Point. Dort werden die Boxen mittels Stapler auf einzelne Fahrzeuge umgeladen und der Fahrer kann seine Auslieferungstour per Navigation routenoptimiert starten. Zusätzlich zur Strecke bekommt er auch entsprechende Sendungsdaten auf dem Display angezeigt. Alle Sendungsinformationen und Temperaturdaten sind darüber hinaus auch im Internet abrufbar. Jede Kühlbox sendet ihren Status viermal in der Stunde – im Fall einer Havarie wird der Fahrer, aber auch der Hersteller des Kühlaggregates, sofort alarmiert.
Frage: Für wen ist Ihr Konzept interessant?
Hackländer: Für Produzenten, Händler und Versender von Frischeprodukten, für die eine Spedition angesichts der Sendungsgröße nicht in Frage kommt. Nehmen wir den Metzgermeister aus Bayern, der Kunden im Norden mit Weißwurst bedienen will, oder nehmen wir Bio- und Feinkostläden, die vielleicht etwas Besonderes bestellen, aber andererseits auch an Kunden ausliefern wollen. Oder denken wir an das Confiseriegeschäft. Im Sommer muss Schokolade gekühlt ausgeliefert werden – bei hohen Temperaturen verzichten manche Hersteller auf derlei Transporte. Wer weiß, vielleicht wird es durch uns irgendwann auch die Sommerpause bei Mon Chérie nicht mehr geben… Wir stoßen in eine Nische vor, die heute überhaupt noch nicht bedient wird, wenngleich die Nachfrage vorhanden ist.
Frage: Wirtschaft kann manchmal so einfach sein.
Hackländer: Ja, die Idee ist in der Tat simpel, nicht jedoch ihre Umsetzung. Jeder am Markt befindliche Paketdienst hat seine festen Strukturen. Er hat Fahrzeuge, Umschlagplätze, IT-Technologie. Eine Idee wie FRESHParcel lässt sich nur verwirklichen, wenn man bei Null anfängt. Wir alle haben zwar reichlich Branchenkenntnis und Erfahrung mitgebracht, aber keine bestehende Infrastruktur – wir haben das System praktisch vom weißen Blatt Papier ausgehend geplant und genau deshalb kann es nur funktionieren. Das Ganze hat übrigens zweieinhalb Jahre gedauert.
Frage: FRESHParcel will im Januar 2011 starten. Wie weit sind Sie heute?
Hackländer: Wir haben alle Systempartner vertraglich gebunden und die Standorte für 58 FreshPoints in Deutschland definiert. Als Hauptumschlagsbereich haben wir uns für eine Fläche in der Nähe des Kirchheimer Dreiecks entschieden. Von dort aus ist jeder Winkel der Republik über Nacht erreichbar. Auch das IT-System steht bereits. Im Rechenzentrum laufen alle Sendungs- und Kühldaten zentral zusammen, dies wiederum stellt die Basis für die dynamische Tourenoptimierung dar. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IFF werden wir daran arbeiten, das Distributionssystem weiter zu optimieren. Dabei ist RFID eine Option für die Zukunft.
Frage: Sie werben mit dem Slogan »Damit Frische kein Zufall ist«. Wenn man Sie so reden hört weiß man: Auch Erfolg ist bei Ihnen geplant …
Hackländer: Aber sicher! Wir kennen sogar unsere Startmenge schon. Am ersten Tag werden dafür morgens, Punkt acht Uhr 223 Touren von unseren FreshPoints starten. Ohne dies zu wissen, würden wir gar nicht erst beginnen.
* Die Autorin ist Redakteurin bei IFFocus, Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
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