Prozess-IT/Software SPECIAL Den Überblick behalten

Redakteur: Redaktion PROCESS

Während viele Anlagen in der europäischen Chemieindustrie mittlerweile auf den neuesten Stand gebracht wurden und sehr effizient unter optimaler Energie- und Rohstoffversorgung arbeiten, gibt es in der Logistik noch Nachholbedarf. Insbesondere die Logistikketten (Supply Chains) besitzen ein erhebliches Potenzial für die Optimierung.

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Während viele Anlagen in der europäischen Chemieindustrie mittlerweile auf den neuesten Stand gebracht wurden und sehr effizient unter optimaler Energie- und Rohstoffversorgung arbeiten, gibt es in der Logistik noch Nachholbedarf. Insbesondere die Logistikketten (Supply Chains) besitzen ein erhebliches Potenzial für die Optimierung.

Wachsende Nachfrageschwankungen, schwindende Kundentreue, kundenindividuelle Produktion, kürzere Produktlebenszyklen und härterer Wettbewerb auf globaler Ebene machen auch vor der chemischen Industrie nicht halt. Es gilt, eine hohe Anlagenauslastung bei gleichzeitig niedrigsten Beständen zu erreichen. In der Vergangenheit gab es eigentlich nur zwei - mitunter sehr kostspielige - Wege, um diese Anforderungen zu erfüllen. Entweder wurden Bestände aufgebaut oder Anlagenkapazitäten erhöht.

Dabei binden Lagerbestände oft Kapital in Höhe von mehreren Millionen Euro, und Kapazitätserhöhungen sind in der chemischen Industrie fast immer mit neuen und dementsprechend kostenintensiven Investitionen verbunden. Heute gehen die Produzenten einen dritten Weg, indem sie auf die Optimierung ihrer Supply Chains setzen.

Waren es vor einigen Jahren lineare Supply Chains, sind nun anpassungsfähige Logistiknetzwerke gefordert, die Unternehmen mehrerer Ebenen miteinander verbinden. Doch das ist leichter gesagt als getan. Kaum ein Unternehmen fährt noch eine vollständige Prozesskette - vom Rohstoff zum Endprodukt. Ehemals eigenbetriebene Zwischenstufen werden nun von früheren Konkurrenten bedient und neue Produktionsanlagen müssen in die Planung einbezogen werden. Daher wächst das Interesse an Supply Chain Management (SCM)-Lösungen.

„Unserer Einschätzung nach machen SCM-Projekte rund zehn Prozent aller IT-Projekte in der Prozessindustrie aus. Der Anteil ist in der chemischen Industrie und in der Stahlindustrie am höchsten. Das liegt unter anderem daran, dass diese am stärksten Vorleistungen für andere Branchen, etwa Automotive oder Maschinenbau, erbringen“, bestätigt Fritz Maurer, Leiter der Einheit Supply Chain Management der BASF IT Services, Ludwigshafen.

Betrachtet man nur die großen Konzerne, ist die Zahl vermutlich noch höher. So schätzt Helmut Fischer, Leiter Vertrieb Supply Chain Management von SAP Deutschland, Walldorf, dass 75 Prozent der Konzernunternehmen SCM-Software einsetzen.

Warum ist der Blick auf die Supply Chains so wichtig? Schließlich schätzt man den Anteil der Logistik auf lediglich zehn Prozent der Herstellkosten. Dafür ist ein Blick ins Detail notwendig. Betrachtet man den Wertschöpfungsbeitrag (Net Value Added), liegen die Kosten nach Untersuchung des europäischen Chemieverbands CEFIC mit 37 Prozent in der chemischen Industrie deutlich höher als im Vergleich zu anderen Industrien (z.B. die Automobilindustrie mit 28 Prozent). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Wert einer Tonne eines chemischen Produktes relativ niedrig ist und die Nachfolgekosten für Transport, Lagerhaltung und deren Schutz auf Grund ihrer teils gefährlichen Eigenschaften sehr hoch sind.

Optimierungsmöglichkeiten gibt es daher genug in der chemischen Industrie. „Pauschal kann man die Einsparungen mit reduzierten Beständen, höherer Auslastung, genaueren Bedarfsprognosen und höherem Servicegrad benennen“, erklärt Fischer und ergänzt: „Allgemein wird Schnelligkeit und Agilität der Unternehmen mit dem Einsatz von SCM-Software gefördert.“ Und wie sieht dies in der Praxis aus? SCM-Experte Maurer nennt folgendes Beispiel: „Die Kosten für die Lagerhaltung sinken.

Der Return on Invest (ROI) für ein SCM-Projekt lässt sich anhand verschiedener Komponenten errechnen, zum Beispiel über Verbesserungen im Rohstoffeinkauf. Wichtig für den Rohstoffeinkauf ist eine integrierte Planung. Wenn unterschiedliche Anforderer innerhalb eines Unternehmens ihre Bestellungen zusammenfassen, kann der Einkauf zentral mit den Lieferanten bessere Konditionen aushandeln. Je nach Bestellvolumen können die Ersparnisse durchaus zweistellige Millionenbeträge pro Jahr erreichen.“

Komplexe Vorgänge in der Prozessindustrie

Bis eine SCM-Software in einem Unternehmen der Prozessindustrie eingeführt ist, benötigen alle Beteiligten einen langen Atem. Während SCM-Software in der Fertigungsindustrie seit längerem etabliert ist, besitzt die Prozessindustrie einige Besonderheiten. Hohe Fixkosten bei der Produktion, lange Rüstzeiten und Durchlaufzeiten sind an der Tagesordnung. Zudem müssen Charakteristika der Prozessindustrie wie Kuppelproduktion, Nebenausbeuten oder nicht lagerfähige Produkte berücksichtigt werden. Verfahrensalternativen bedeuten häufig, dass man ein ganz anderes Verfahren einsetzt und nicht - wie in der Fertigungsindustrie - ein anderes Werkzeug. Dies zieht andere Rohstoffe, Anlagen, Personaleinsatz etc. nach sich. Und während in der Fertigungsindustrie oft eine erhöhte Nachfrage durch eine eingeschobene Schicht gelöst werden kann, ist in der chemischen Industrie eine Kapazitätserhöhung fast immer mit einer Anlagenerweiterung verbunden.

Das Hauptunterscheidungskriterium ist jedoch, dass in der Chemie in Chargen und nicht in Stückzahlen produziert wird. Diese vielschichtigen Vorgänge in einer Software abzubilden, ist alles andere als einfach. Viel Auswahl bei der Auswahl einer solchen Software hat der Anwender dabei nicht. „In der Prozessindustrie hat sich eindeutig SAP als Standardsoftware etabliert“, bestätigt Maurer. „Die Software hat in den vergangenen Jahren stark an Funktionalität gewonnen und ist die einzige, die in allen Branchen der Prozessindustrie eingesetzt wird, vor allem bei Großunternehmen.“

Software ist bei weitem nicht alles

Dabei sind mit der Einführung einer SCM-Software längst nicht alle Probleme gelöst. „Ein SCM-Projekt ist auch immer ein Organisationsprojekt für das Unternehmen und kein reines IT-Thema. Dies muss allen Beteiligten und insbesondere den Managern bewusst sein“, verdeutlicht Maurer. „Es reicht nicht aus, in ein solches Projekt nur die IT-Einheit einzubinden. Ein SCM-Projekt hat nur dann Erfolg, wenn es durch ein effizientes Change Management unterstützt wird.“ Diese Einschätzung teilt Fischer: „SCM-Software ist immer Teil einer strategischen Zieldefinition eines Unternehmens. Kooperative oder kollaborative Organisationsstrukturen müssen erlernt und insbesondere im Alltag gelebt werden.“ Wobei Fischer zugibt, dass diese Prinzipien zwar oft grundsätzlich angestrebt, aber eben nicht im Alltag gelebt werden.Schließlich erfordert solch ein Projekt unter Umständen, dass vorhandene Prozesse grundsätzlich verändert werden. „Die große Herausforderung liegt in der Komplexität der Prozesse“, bestätigt Maurer und nennt einen weiteren Aspekt: „Und es hilft die beste Software nichts, wenn die Daten nicht aktuell sind. Deshalb möchte ich als zweiten kritischen Punkt noch die Datenqualität nennen.“

Unterschiede innerhalb der Prozessindustrie

In der Prozessindustrie ist es bei der Planung durchaus verbreitet, sich auf die langjährige Erfahrung der Planer zu verlassen. Einem Planungsalgorithmus zu vertrauen, ist nicht jedermanns Sache. „Bei der Umsetzung einer SCM-Software muss man viel Aufmerksamkeit in vertrauensbildende Maßnahmen für die verwendeten Optimierungsmethoden legen, um Anwender von der hohen Effizienz solcher Methoden zu überzeugen“, gibt Fischer zu bedenken. Nicht in allen Branchen der Prozessindustrie ist die Notwendigkeit, eine SCM-Software einzuführen, gleich stark. International agierende Chemie- und Pharmakonzerne müssen sich schneller auf die Regeln des E-Commerce einstellen als beispielsweise mittelständische Farben- und Lackhersteller, die für einen regionalen Markt produzieren.

Die Unterschiede innerhalb der Prozessindustrie hat man bei SAP erkannt: „Die wichtigste Neuerung ist der Bereich Service Parts Planning und Execution. Allgemein werden wir immer stärker industriespezifische Weiterentwicklungen durchführen“, erklärt Fischer. „Ziel ist, nur Prozesse anzubieten, die in der jeweiligen Branche gebraucht werden. Kunden können somit schnell die in ihrer Branche besten Prozesse einführen.“

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