Tablettenherstellung Das Ende von Trial and Error in der Tablettierung

Autor / Redakteur: Sabine Goodwin, Dr. Oleh Baran, Dr. Kristian Debus / Anke Geipel-Kern

Wenn die neue Tablettenmischung auch beim zwanzigsten Tablettierversuch immer noch deckelt, heißt es Ruhe bewahren und das Versuchsdesign eben zum einundzwanzigsten Mal optimieren. Oder numerische Simulation verwenden. Die Methode spart Entwicklungszeit, Geld und Nerven.

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Abbildung 1: STAR-CCM+-Simulation mit DEM, die ein pharmazeutisches Puder zeigt, welches in einer Tablettenform verdichtet und verpresst wurden. Farbunterschiede weisen auf eine ungleichmäßige Kornverteilung hin.
Abbildung 1: STAR-CCM+-Simulation mit DEM, die ein pharmazeutisches Puder zeigt, welches in einer Tablettenform verdichtet und verpresst wurden. Farbunterschiede weisen auf eine ungleichmäßige Kornverteilung hin.
(Bilder: CD-Adapco)

Die Tablettierung (das Verpressen von Pulvern zu einzeldosierten festen Arzneiformen) und die Beschichtung von Tabletten sind zwei wichtige Schritte in der Tablettenherstellung, die letztlich das Gewicht, die Stärke, die Dichte, die Härte und den Überzug der finalen festen einzeldosierten Arzneiform bestimmen. Abweichungen bei selbst einer dieser Eigenschaften wirken sich nicht nur negativ auf das Freisetzungsprofil und die therapeutische Wirksamkeit des Medikaments aus, sondern verändern auch das Zerfalls- und Lösungsverhalten der Tablette, führen zu Mängeln am Produkt und verursachen Bruchverluste beim Verpacken von Bulkware und beim Transport.

Warum numerische Simulation?

Multiphysikalische numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD) ist eine numerische Methode für die Berechnung des gekoppelten Verhaltens von Flüssigkeiten, Gasen und Partikelströmungen einschließlich Wärme- und Stoffübertragung. Die Methode ermöglicht die Bewertung eines Designs oder Verfahrens, noch bevor erste physikalische Tests vorgenommen werden. So verlangt die Entwicklung einer neuen Tablettenform oder eines neuen Überzugsmaterials zahlreiche kosten- und zeitaufwändige Experimente, um unerwartete Abweichungen zu vermeiden, unvorhersehbare Prozessparameter zu ermitteln und Scale-up-Probleme zu beheben.

Bei der Untersuchung dieser Effekte durch Anwendung der numerischen Simulation lassen sich erhebliche Einsparungen bei Zeit, Material- und Entwicklungskosten erzielen. Außerdem bieten numerische Visualisierungstools umfassende und detaillierte Information, die aus experimentellen Untersuchungen nicht immer leicht erhältlich sind. Dies liefert nicht nur umfangreichere Einblicke und Details dazu, was innerhalb des Verfahrens abläuft, sondern macht auch Innovationen möglich.

Mit seiner automatisierten Technologie basierend auf polyedrischen Rechengittern und einem großen Angebot an physikalischen Modellen ist Star-CCM+ ein komplettes multidisziplinäres Simulations-Toolkit für die Pharmaindustrie. Eine Funktion in der Software, die besonders gut für die Simulation von Verfahren der Tablettenherstellung geeignet ist, ist die Modellierung mit diskreten Elementen (DEM = Discrete Element Modeling), die vollständig mit der numerischen Strömungssimulation gekoppelt und in derselben Softwareumgebung bereitgestellt wird.

Bei der Tablettierung und Beschichtung von Tabletten sind eine große Anzahl diskreter Partikel vorhanden, die miteinander sowie mit den sie umgebenden Fluiden interagieren. Beim DEM werden diese Wechselwirkungen und Kontaktkräfte der Modelle durch Kollisionen und Wärmeübertragung zwischen den Partikeln und Fluiden verfolgt. Die DEM-Funktion kann dichte Partikelströmungen mit mehr als einer Million Partikel in einem angemessenen Zeitraum berechnen und ist somit besonders praktisch für die Analyse realer Verfahren der Tablettenherstellung wie Abfüllen, Verpressen/Verdichten, Überziehen und Trocknen.

Vorpressen leicht gemacht

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse einer Simulation des Vorpressens in einer Tablettenpresse mit Star-CCM+, um zu bestimmen, wie gängige Fehler bei der Tablettenherstellung beseitigt werden können, wie z.B. Deckeln, das häufig infolge von Lufteinschluss und der Migration feiner Partikel während der Verpressung auftreten. DEM wird verwendet, um die Wechselwirkung der Partikel miteinander und mit der Form nachzuverfolgen, während diese neu geordnet werden und sich während der Vorpressung in die leeren Zwischenräume bewegen.

Diese Simulation bietet einen detaillierten Einblick in die Kornverteilung und kann helfen, die optimale Vorpresskraft und Haltedauer zu bestimmen, die zum Fixieren der feinen Partikel vor Beginn der Verpressung erforderlich sind.

Weiterhin liefern DEM-Simulationen mit Partikel-Fluid-Wechselwirkungen auch realistische Lösungen für die Bewertung der Gleichmäßigkeit der Stärke des Filmüberzugs, welche ein kritischer Parameter für die Qualität von Tabletten ist. So können Beschichtungsverfahren in einer Wirbelschicht simuliert werden, wobei DEM für die Analyse der zufälligen Bewegung von Partikeln genutzt wird, deren Trajektorien sich mit dem Auftragen der Filmschichten ändern.

Parameter wie Partikelgeschwindigkeiten, Verweildauer und Filmdicke werden während der Simulation überwacht. Diese können dann als Zielfunktionen in Optimate geladen werden, einem Modul der Simulationssoftware für intelligente Anlagenplanung. Dieses ermöglicht es, wichtige Faktoren für die Anlagenplanung (z.B. Düsenabstand) sowie die optimalen Betriebsbedingungen für die Anlage zu bestimmen. Lesen Sie auch wie Tetrapak seine Wirbelschichtprozesse optimiert

Filmdicke überwachen

Künftige Versionen werden außerdem über eine neuartige passive Lagrange-Skalarfunktion verfügen, die dem Nutzer die einfache Überwachung der Filmdicke und anderer Tabletteneigenschaften gestattet. Das funktioniert sogar in einem Fall, bei dem mehr als 70 000 Tabletten in den Trommeln eines industriellen Beschichters bearbeitet werden.

Das Ziel der Studie besteht darin, die interpartikuläre Gleichmäßigkeit der Beschichtung durch Bestimmung der optimalen Einstellungen der Sprühgeräte in der Trommel zu verbessern. Es werden zwei passive Lagrange-Skalare festgelegt, die die Filmdicke repräsentieren: einer mit einem Ausgangsvolumen, das auf einen Kegel über der Oberfläche beschränkt ist, und ein anderer mit einem Ausgangsvolumen, das auf das zweier Kegel beschränkt ist.

Der tatsächliche Sprühbereich ist bei beiden passiven Skalaren identisch. Mithilfe dieses Ansatzes gestattet eine einzige Simulation den Vergleich der interpartikulären Beschichtungsgleichmäßigkeit zweier verschiedener Sprühbereiche, und das Ergebnis zeigt, dass die Konfiguration mit zwei Sprühkegeln eine gleichmäßigere Verteilung des Überzugs liefert.

Im heutigen Wettbewerbsklima muss der Schwerpunkt bei der Herstellung einzeldosierter fester Arzneiformen auf der Integration von Qualität und Effizienz in die Herstellungsverfahren liegen. Multiphysikalische CFD-Simulationen bieten dabei eine kosteneffiziente Möglichkeit zum Erreichen dieses Ziels durch Prototyping und Optimierung in kürzester Zeit.

Der Umgang mit komplexen Strömungsfeldern im Zusammenhang mit der Tablettierung und Beschichtung ist mit den physikalischen Hochleistungsmodellen von Star-CCM+, wie dem leistungsstarken DEM und neuartigen passiven Skalarfunktionen, kein Problem mehr.

Anwender aus der Pharmaindustrie können sich damit modernste Technologien vollständig zunutze machen, da die Software die Tür zu innovativen Wegen für die Verbesserung der Qualität, die Senkung von Kosten sowie die Verkürzung der Produkteinführungszeiten öffnet.

* S. Goodwin ist Senior Engineer, Technical Marketing, Dr. Baran, Application Specialist und Dr. Debus, Director Life Sciences, CD-Adapco.

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