Chemie-Konjunktur Chemieindustrie im Nebel volatiler Märkte
Wie geht die deutsche Chemie nach vier Jahren Wachstum mit der anhaltenden Nachfrageflaute um? PROCESS hat sich auf den Bilanzpressekonferenzen der Big Player umgehört.
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Um fast elf Prozent ist die Chemieproduktion im vierten Quartal 2008 gegenüber dem Vorjahresquartal eingebrochen, besonders betroffen waren die Hersteller von Grundstoffen wie Anorganika, Petrochemikalien und Polymeren. Die Talsohle ist vielleicht erreicht, eine Trendwende sei jedoch noch nicht in Sicht, sagte Altana-Chef Dr. Matthias L. Wolfgruber bei der Bilanzpressekonferenz seines Konzerns. Und auch Klaus Engel, der den Mischkonzern Evonik durch die Krise lenkt, verzeichnet eine sich stabilisierende Nachfrage auf dem derzeitigen niedrigen Niveau. „Auf das Prinzip Hoffnung setzen wir deshalb aber noch lange nicht“, so der Evonik-Chef, der in den kommenden Monaten weiterhin raues Fahrwasser für die gesamte Chemiebranche erwartet. 3,5 Prozent Produktionsrückgang und ein Umsatzminus von etwa sechs Prozent ist die Erwartung des VCI für das laufende Jahr.
In den kommenden Monaten rechnet der Branchenverband mit einer leichten Besserung der Situation, sobald die Kunden ihre Lager geräumt haben. Dieser Trend zur Normalisierung sei jedoch noch nicht der erhoffte Aufschwung. Vielmehr könne es durch das Lagerverhalten der Kunden zu einem Sägezahneffekt kommen, wie ihn BASF-Vorstandsvorsitzender Dr. Jürgen Hambrecht vor einigen Wochen voraussagte. Diese Nachfrageschwankungen sind neben der insgesamt gesunkenen Nachfrage eine schwer einzuschätzende Variable. Lanxess will mit flexiblem Anlagen-Management darauf reagieren; der Betrieb von kapitalintensiven Anlagen soll von Voll-Last auf reduzierte Leistung umgestellt werden. Ein nicht ganz einfaches Vorhaben, wie Konzern-Chef Dr. Axel C. Heitmann gesteht: „Gerade in der Chemieindustrie, wo viele Reaktionsprozesse ineinander greifen und kontinuierlich ganzjährig, rund um die Uhr ablaufen, stellt ein solcher Lastwechsel eine sehr hohe Anforderung an Technik und Management dar.“
An die Marktlage und Wachstumserwartungen angepasst werden jedoch nicht nur aktuelle Kapazitäten, sondern auch die zukünftig geplanten. So senkt Bayer MaterialScience die Sachanlageinvestitionen von 805 Millionen Euro 2008 auf 590 Millionen Euro im laufenden Jahr. BASF senkt die Investitionen 2009 um etwa 20 Prozent; Lanxess hat Investitionen von über 100 Millionen Euro verschoben, Altana halbiert seine Investitionen 2009 im Vergleich zu 2008; Evonik reduziert die Investitionen im Geschäftsfeld Chemie von 700 auf 500 Millionen Euro; und auch bei Süd-Chemie sollen die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent gekürzt werden. Es gibt jedoch auch Projekte, die in der aktuellen wirtschaftlichen Lage Umsätze versprechen und damit ohne Verzögerungen realisiert werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Fotovoltaik-Markt, für den auch 2009 Wachstum erwartet wird. Evonik baut die Produktion von Chlor- und Monosilanen als Schlüsselkomponenten für die Solarindustrie aus und erweitert Kapazitäten in Italien und Frankreich. Zusätzlich ist in Japan der Bau einer kombinierte Produktionsanlage geplant. Auch Wacker baut seine Polysilizium-Kapazitäten konsequent und massiv aus. In den aktuellen Ausbau in Nünchritz und Burghausen investiert der Konzern 860 Millionen Euro. Ein weiteres Großprojekt ist der laufende Ausbau des Standortes Zhangjiagang in China.
Auf der Krisen-Interventions-Liste aller großen Unternehmen stehen derweil Kurzarbeit, und Budgeteinsparungen. Effizienzprogramme werden vielfach beschleunigt. Evonik-Vorstandsvorsitzender Engel sieht die Krise auch als Chance: „Jede Krise kann hilfreich sein, die Weiterentwicklung von Unternehmen und Märkten zu forcieren, notwendige kulturelle und strukturelle Veränderungen anzustoßen und mit vermeintlichen Gewissheiten aufzuräumen. Auch in der gegenwärtigen Krise steckt eine solche Chance zur Korrektur und daraus müssen wir unsere Lehren und neue Zuversicht ziehen.“
Quelle: Bilanzpressekonferenzen von BASF, Bayer, Linde, Wacker, Altana, Lanxess, Evonik und Süd-Chemie
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