Hohe Energiekosten Chemie unter Druck – Chemieindustrie drosselt Produktion

Von Wolfgang Ernhofer

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Der Chemieverband VCI schlägt Alarm und die Großen der Branche schließen sich an. Nachdem die Chemieindustrie gut ins Jahr gestartet ist, verfinstert sich die wirtschaftliche Lage seit dem Russischen Überfall auf die Ukraine stetig. Durch die hohen Energiepreise bricht die Produktion weiter ein und viele Unternehmen drosseln ihre Produktion. PROCESS fasst die aktuelle Lage zusammen.

(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

«Der Chemiebranche stehen weitere dunkle Monate bevor», sagt der neue VCI-Präsident Markus Steilemann. Viele Unternehmen befänden sich mit ihrer Produktion in Deutschland bereits heute vor allem wegen der massiv gestiegenen Energiekosten in einer äußerst dramatischen Lage. Besonders der Mittelstand habe erhebliche Probleme, bei auslaufenden Lieferverträgen für Strom oder Gas Anschluss- oder Neuverträge abzuschließen. Bei Wintereinbruch und sinkenden Gasspeicherständen werde sich die Situation weiter verschärfen. Steilemann fordert eine schnelle und wirksame Energiepreisbremse.

Die Lage hat sich in den Sommermonaten noch einmal verschlechtert. Die Produktion in Deutschlands drittgrößter Industriebranche wurde deutlich gedrosselt. Hiervon waren nahezu alle Sparten betroffen. Einzelne Anlagen stehen still. Die Kapazitätsauslastung der Branche sank unter Normalniveau. Gleichzeitig fiel es den Unternehmen immer schwerer, die kräftig gestiegenen Energiekosten in der Wertschöpfungskette weiterzugeben. Die Umsätze der Branche sanken erstmals seit zwei Jahren wieder. Insbesondere der Inlandsumsatz gab kräftig nach. Eine sich abschwächende Weltwirtschaft und die schwache Industriekonjunktur in Deutschland führten zu einem Nachfragerückgang.

Sinkende Produktion und höhere Preise

Die Produktion der deutschen Chemie- und Pharmabranche sei im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 10,3 Prozent geschrumpft, teilte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt mit. Die Produktion der Chemie alleine betrachtet (ohne Pharma) ging gar um 14,1 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorquartal ging die Produktion der Branche um 4,2 Prozent zurück. Mit 79,3 Prozent lag die Kapazitätsauslastung damit deutlich unterhalb der Normalauslastung. Für das Gesamtjahr erwartet der Verband weiterhin, dass die Chemie- und Pharmabranche 5,5 Prozent weniger produziert als 2021. Für die Chemie alleine wird ein Minus von 8,5 Prozent prognostiziert.

Der Branche machen auch angespannte Lieferketten sowie die schwächelnde Wirtschaft zu schaffen. Gerade die Chemieindustrie ist als Lieferant etwa für die Auto-, Konsumgüter- und Bauindustrie konjunkturabhängig. Im Vorjahresvergleich stiegen die Erlöse allerdings aufgrund höherer Preise um 14,7 Prozent.

Einschränkungen an einzelnen Standorten

An einzelnen Standorten werde die Produktion bereits seit Wochen gedrosselt. In Leuna z.B. gibt es massive Produktionseinschränkungen, wie Christof Günther, Geschäftsführer des Standortbetreibers Infraleuna, dem MDR Ende September berichtet. Über den Schnitt der Betriebe am Standort gebe es Produktionseinschränkungen von ungefähr 50 Prozent. Viele Firmen können nicht mehr wirtschaftlich arbeiten.

Einer der größten Polyamid-Zulieferer der deutschen Automobilindustrie Domo Chemicals drosselt ebenfalls seine Produktion in Europa. Der Konzern habe, nach Berichten des Handelsblatts, damit begonnen, europäische Aufträge mit Material aus Nordamerika und China zu erfüllen, wo dies möglich sei, so der Vorstandsvorsitzende Yves Bonte in einem Interview. Europa sei bei so hohen Energiekosten nicht mehr wettbewerbsfähig.

Berichte von Germany Trade and Invest (GTAI) aus dem benachbarten Polen melden bereits Ende August ähnliches. Besonders die gasintensive Düngemittelproduktion und Kunststoffherstellung, sowie -verarbeitung seien betroffen. Das Werk der Azoty-Gruppe in Puławy schraube den Ammoniak-Ausstoß auf zehn Prozent der möglichen Kapazitäten zurück. Der Rohstoff ist ein wichtiger Baustein für die Düngemnittelherstellung. Azoty stellt in Puławy die Produktion von Pflanzenmitteln vorerst ein. Auch in anderen Werken des Unternehmens läuft die Produktion auf Sparflamme. Der zum Mineralölkonzern PKN Orlen gehörende Chemieunternehmen Anwil hat die Produktion von Düngemitteln ebenfalls komplett eingestellt.

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