Nanotechnologie Chemie setzt auf Nanotechnologie für die Entwicklung von flexiblen Dünnschichtsolarzellen

Autor / Redakteur: Klaus Jopp / Anke Geipel-Kern

Organische Photovoltaik auf Nanobasis soll die Herstellung von Solarzellen billiger und einfacher machen. Deutsche Chemieunternehmen arbeiten an vorderster Front an der Entwicklung und sichern sich so den entscheidenden Vorsprung in einem Zukunftsmarkt.

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Nur wenn es uns gelingt, durch neue Materialien und Verfahren das Wirtschaftswachstum vom zunehmenden Energie- und Ressourcenverbrauch abzukoppeln, werden wir unseren Wohlstand auch für zukünftige Generationen sichern können“, erklärte kürzlich Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel. Anlass war die Veranstaltung „Nano-Energie – Nano- und Materialtechnologien für die Energieversorgung der Zukunft“, die im Chemiepark Hanau stattgefunden hat und an der rund 150 Fachleute teilgenommen haben. Keine Frage, dass insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien Nanotechnologien das Potenzial besitzen, die zumindest teilweise noch immer fehlende Wirtschaftlichkeit zu verbessern. „Nanomaterialien sollen konventionelle Solarzellen um 50 Prozent effektiver machen. Zudem sind sie der Schlüssel für sichere und leistungsstarke Batterien“, betont Dr. Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). En-ergiespeicher sind gerade bei unstet anfallenden Energien wie Solar- und Windkraft von entscheidender Bedeutung.

Effizienzsteigerungen bei herkömmlichen kristallinen Silizium-Solarzellen lassen sich u.a. durch Antireflexschichten für eine höhere Lichtausbeutung erzielen. In erster Linie wird aber die Weiterentwicklung alternativer Zelltypen von der Nanotechnologie profitieren wie Dünnschichtsolarzellen, entweder auch aus Silizium oder auf Basis anderer Materialsysteme wie Kupfer/Indium/Selen, Farbstoffzellen oder polymere Solarzellen. „Letzteren wird aufgrund der preisgünstigen Materialien und Herstellungsverfahren sowie der flexiblen Formgebung ein hohes Potential zugeschrieben“, konstatiert Dr. Wolfgang Luther vom VDI-Technologiezentrum (Düsseldorf).

Dünnschichtsolarzellen von der Rolle

Genau an diesem Ansatz arbeitet auch das Projekthaus Functional Films & Surfaces der Evonik Industries am Standort Hanau. Heute beruht die Photovoltaik zu über 90 Prozent noch auf mono- und polykristallinen Silizium-Wafern, die zwar einen vergleichsweise hohen Wirkungsgrad haben, aber auch einen aufwändigen Herstellungsprozess benötigen. „Unsere Zukunftsvision ist es, flexible Dünnschichtsolarzellen möglich zu machen“, erläutert Dr. Claudius Neumann, Projektleiter bei Evonik. Auf der Basis von Rolle-zu-Rolle-Prozessen sollen künftig kontinuierlich und damit sehr kostengünstig Solarmodule produziert werden. Auch bei herkömmlichen Typen leisten Folien auf Polymerbasis schon jetzt einen wesentlichen Beitrag zur Haltbarkeit, mechanischen Stabilität und elektrischen Betriebssicherheit. Zum einen werden die verlöteten Solarzellen in einen thermisch aushärtenden Kunststoff eingebettet, der sie vor mechanischer Belastung schützt. Zum anderen ist die Rückseite der Module durch eine Folie isoliert, die als Schutz vor Witterungseinflüssen und zur Vermeidung des Durchschlagens der elektrischen Spannung dient.

Die besondere Herausforderung bei Dünnschichtmodulen besteht im Ersatz der Frontabdeckung aus Glas durch eine transparente Folie mit hoher Lichtdurchlässigkeit, die trotzdem die photovoltaisch aktive Schicht vor Witterungseinflüssen und mechanischer Beschädigung schützt. Dazu müssen konventionellen Kunststoffen durch entsprechende Oberflächenfunktionalisierung Barriereeigenschaften verliehen werden, die den Durchtritt von Feuchtigkeit und Sauerstoff deutlich verringern. Lösungsansätze für diese Herausforderung bieten Beschichtungstechnologien, die heute schon bei der Herstellung von Verpackungsmaterialien standardmäßig zum Einsatz kommen. Dabei werden metallische Oxide (u.a. von Silizium oder Aluminium) im Vakuum durch den Beschuss mit Elektronen verdampft und als nanometerdünne Schicht auf der Kunststoffoberfläche abgeschieden.

Doch die Entwickler im Projekthaus gehen noch einen Schritt weiter. Mittelfristig soll auch die zweite tragende Glasschicht durch ein Polymer ersetzt werden. Solche Module wären voll flexibel und könnten – so die Vision – wesentlich wirtschaftlicher als bisher in einem kontinuierlichen Rolle-zu-Rolle-Prozess gefertigt werden. Auf diese Weise ließen sich sehr leichte Solarzellen realisieren, die sich in Form von Dachbahnen ohne zusätzlichen Unterbau einfach auf dem Dach verkleben lassen. „Derzeitige Entwicklungen zielen darauf ab, Polymere in Hochtemperatursubstrate umzuwandeln, damit sie mit dem Abscheidungsprozess kompatibel sind“, so Neumann. Infrage dafür kommen Polyetheretherketone oder Polyimide, die Evonik im Portfolio hat.

Industrieinitiative für Organische Photovoltaik

Biegsame, leichte und kostengünstige Solarzellen sind auch das Ziel der Technologieinitiative für Organische Photovoltaik (OPV), an der BASF, Bosch, Merck und Schott beteiligt sind. Mitte 2007 haben die beteiligten Firmen zugesagt, 300 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung in dieses Feld zu investieren, 60 Millionen Euro stellt zudem das BMBF für Verbundprojekte bereit. Die Vorteile der neuartigen Photovoltaik-Materialien eröffnen die Chance zu enormen Kostenersparnissen beim Herstellungsprozess und zu völlig neuen Produktvisionen. Dazu zählen durchsichtige Photovoltaik, die auf Fenster oder Gehäuse aufgeklebt werden kann, Photovoltaik von der Rolle, die sich großflächig produzieren und verlegen lässt, und integrierte Photovoltaik, mit der elektronische Geräte durch neuartige Solarzellen mit einer integrierten Stromversorgung ausgestattet werden könnten.

Bei der OPV sind nicht nur die Schichten und ihr Aufbau nanoskalig (10 bis 200 nm), auch die wichtigsten Vorgänge – Absorption, Ladungserzeugung, -trennung und -transport – spielen sich auf der Nanoebene ab. Schwerpunkte der derzeitigen Forschungsanstrengungen sind auf der Materialseite u.a. lösungsprozessierbare Halbleiter, breitbandig absorbierende Polymere, Substanzen mit hoher Lebensdauer und kostengünstige Substratsysteme wie Folien. Auf der Prozessseite geht es um Strukturierungs- und Beschichtungstechnologien zum großflächigen Aufbringen der Materialien und Dünnschichtverkapselungstechnologien. „Unsere Ziele für 2015 liegen darin, eine Effizienz von zehn Prozent zu erreichen, die Lebensdauer auf drei bis fünf Jahre zu verlängern und kostengünstige Herstellungsverfahren zu etablieren“, betont Dr. Armin Leng, der bei Merck im Rahmen der OPV-Initiative ein Verbundvorhaben koordiniert. Gut möglich, dass beide Entwicklungsansätze eines Tages zu neuartigen Solarzellen made in Germany führen. Gedruckte Lichtfänger auf hoch flexiblen Kunststoffträgern wären sicher eine Bereicherung in den Design- und Anwendungsmöglichkeiten.

Der Autor ist Wissenschaftsjournalist in Hamburg. E-Mail: klaus.jopp@wwiwitech.de

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