Energieeffizienz Beitrag der Chemie zur Energieeffizienz und Energieversorgung von Morgen

Redakteur: Gerd Kielburger

Deutscher Chemieorganisationen haben in ihrem gemeinsamen Positionspapier „Energieversorgung der Zukunft – der Beitrag der Chemie“ wesentliche Entwicklungspotenziale sowie den Forschungsbedarf für die nächsten Jahrzehnte aufgezeigt. PROCESS präsentiert die wichtigsten Trends.

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Die Energieversorgung wird chemischer!“, so lautet die Botschaft des gemeinsamen Positionspapiers der wichtigsten deutschen Chemieorganisationen (Koordinierungskreis Chemische Energieforschung von Dechema, VCI, GDCh, DBG, DGMK, VDI-GVC). Für die dringend notwendigen Effizienzsteigerungen bei der Energienutzung hat die Chemie eine Schlüsselrolle – vor allem wenn es darum geht, Energie effizienter zu nutzen und bestehende Techniken wie die Brennstoffzellentechnik und die Solartechnik weiterzuentwickeln.

Energie bereit stellen

Benzin, Kerosin und Dieselkraftstoff werden heute nahezu vollständig aus Erdöl hergestellt. Zur Erzeugung von Dieselkraftstoff und Kerosin aus Erdgas sind weitere katalytischen und verfahrenstechnische Maßnahmennötig, die eine kostengünstigere Erzeugung von Synthesegas erlauben. Auch die Fischer-Tropsch-Synthese besitzt Potenzial – Verbesserungen sind möglich bei den Katalysatoren und der Reaktortechnik. Die chemische Kohleveredelung sollte angesichts der sehr großen Kohlevorräte langfristig unter Einbeziehung aller Möglichkeiten der modernen Katalyse und der Verfahrenstechnik bearbeitet werden.

Bei den nachwachsenden Rohstoffen muss das Hauptaugenmerk den Biokraftstoffen der zweiten Generation gelten – mit den Schwerpunkten Vergasung von Biomasse und gentechnische Optimierung von Pflanzen und Biokatalysatoren.

Zur Bereitstellung von elektrischer Energie kommen derzeit u.a. Solarzellen aus kristallinem Silicium zum Einsatz. Mit den heutigen Solarzellen-Technologien kann Sonnenenergie jedoch nicht kosteneffizient nutzbar gemacht werden – neue Technologien sind also gefragt. Das Konzept mit den vermutlich höchsten Realisierungschancen sind Zell-Architekturen, mit denen Licht unterschiedlicher Energieniveaus in kleineren aneinander gekoppelten Stufen umgewandelt wird.

Eine ähnliche Herausforderung stellt die Brennstoffzellentechnik dar, die derzeit noch zu teuer ist. Für die Membranbrennstoffzelle wird bereits intensiv an neuen Elektrolyten geforscht; eine bessere Leitfähigkeit und Lebensdauer ist durch Modifikation der Fluorpolymere bereits erreicht. Auch anorganisch-organische Hybrid-membranen sind in der Entwicklung, wobei die anorganische Komponente hydrophil und temperaturstabil ist. In einer zweiten Route werden funktionalisierte siliciumorganische Membranen auf Basis von Zeolithen und Heteropolysiloxanen entwickelt. Die größte Herausforderung ist sicher, eine hohe Leitfähigkeit bei wasserfreier Protonenleitung zu erreichen. Hier setzt die dritte Entwicklungslinie zum Thema intrinsisch leitfähiger Polymere an.

Energie speichern

Derzeit basiert die stoffliche Speicherung von Energie weitgehend auf fossilen Energiequellen wie Kohle, Öl (und dessen Folgeprodukte) oder Gas. In einem zukünftigen Energiesystem, das nicht mehr oder nicht ausschließlich auf solchen Stoffen beruht, sind alternative Speichermedien erforderlich. Allerdings sind bisher keine der chemischen Speicherverfahren für einen technischen Einsatz brauchbar. Zur Lösung werden derzeit zahlreiche Entwicklungs-linien verfolgt. Komplexe Leichtmetallhydride sind noch weitgehend unerforscht, zahlreiche denkbare Verbindungen sind bisher nicht beschrieben, für viele bekannte Hydride sind weder Struktur noch Thermodynamik bekannt. Die Wasserstoffspeicherung in kovalenten Verbindungen wie z.B. Methanol oder Ammoniak erscheint ebenfalls möglich. Außerdem ist alternativ immer die direkte Nutzung solcher Moleküle als Energieträger/-speicher zu überprüfen. Hinsichtlich der Stromspeicherung haben bislang nur relativ wenige Akkumulator-Systeme die technische Marktreife erreicht. Eine dominierende Stellung nimmt der Blei-Akku ein. Bei Lithium-Ionenbatterien für mobile Kleingeräte sind durch neue Elektrodenmaterialien und Elektrolyte Fortschritte in Richtung höherer Performance denkbar. Es müssen Anoden- und Kathoden mit höherer Lade/Entladekapazität entwickelt werden (Lithium-Interkalation). Das Prinzip der elektrischen Energiespeicherung in Superkondensatoren mit hoher Speicherkapazität, auch Supercaps oder Ultracaps genannt, ist rein physikalischer Natur, eine chemische Stoffumwandlung findet dabei nicht statt. Ein Weg zur Erhöhung der Energie- und Leistungsdichte führt über die Erhöhung der Nennspannung von rund 2,5 V auf 3 V bei gleicher Zyklenstabilität von etwa 500 000 Lade-/Entladezyklen. Dazu ist wie bei den Batterien die Erforschung neuer Elektrodenmaterialien und Elektrolyte, wie zum Beispiel ionische Flüssigkeiten, von zentraler Bedeutung.

Effiziente Energienutzung

Für Beleuchtungszwecke werden derzeit etwa zehn Prozent der elektrischen Energie verwendet. Sie wird teils sehr ineffizient durch Glühlampen in Licht umgewandelt. Leuchtstofflampen haben eine Energieeffizienz von etwa 30 Prozent. Nimmt man eine Verbesserung der Effizienz um den Faktor 2 an, was konservativ erscheint, errechnet sich eine Einsparung von fünf Prozent. Lösungsansätze wären hier zum einen nitridische Materialien als Leuchtstoffe in Leuchtdioden bzw. Fluoride als Zweiphotonenleuchtstoff.

Klar ist: Was weniger wiegt, kann mit weniger Energie bewegt werden. Kunststoffe sind leicht, doch die spezifischen Temperatureinsatzgrenzen von Kunststoffen und Faserverbundwerkstoffen mit polymerer Matrix beschränken deren großtechnischen Einsatz. Moderne Hochleistungspolymere erweitern diese Grenzen, sind aber teuer in der Herstellung. Neben der Entwicklung neuer Kunststoffe und polymerbasierter Faserverbundwerkstoffe mit einsatzorientierten Eigenschaften ist deshalb die Weiterentwicklung von Nearnet-shape-Verfahren für eine kostengünstige Bauteilherstellung wichtig. Bei der Gebäudeisolierung werden derzeit vorwiegend Mineralwolle, geschäumtes Polystyrol, Polyurethan und entsprechende Verbundsysteme eingesetzt. Die Herstellung nanoporöser Schäumen durch konventionelles Aufschäumen ist bisher nicht gelungen. Einen Ausweg bietet womöglich die Polymerisation von organischen Monomeren in einem strukturgerichteten (templatierten) Prozess, um Materialien geringer Dichte und kleiner Poren herzustellen.

Einsparpotenziale in der Chemie

Verfahrenstechnische Prozesse sind häufig mit einem hohen Energieeintrag verbunden. Der Anteil der Energiekosten an den Betriebskosten beträgt in der chemischen Industrie im Mittel zehn Prozent – er reicht von zwei Prozent in der Pharmaindustrie bis zu 40 Prozent in der Grundstoffchemie. Zur Steigerung der Energieeffizienz von Produktionsprozessen ist eine ganzheitliche Prozessbetrachtung von der chemischen Reaktion bis zur Formulierung des Produktes und die Weiterentwicklung von innovativen Technologien notwendig.

Die ganzheitliche Betrachtung ermöglicht oft eine Verringerung der Anzahl von Prozessschritten durch Kombination von mehreren Verfahrensschritten in einem Prozess (Verknüpfung von Wärme- und Stofftransport oder von Reaktion und Separation in einem Apparat).

Dies führt zu einer signifikanten Senkung der Betriebskosten und des Energieeintrages für den Gesamtprozess. Generell lohnenswert ist es, Technologien weiterzuentwickeln, die eine Ausbeutesteigerung im Prozess ermöglichen. Dies wird nach Einschätzung des Koordinierungskreises Chemische Energieforschung durch geeignete Katalysatoren, den Einsatz der Mikroreaktionstechnik und Reaktionen in ionischen Flüssigkeiten gewährleistet. Zudem ist die Entwicklung innovativer Trennprozesse wichtig. Hierzu zählen etwa chromatographische Verfahren. Ein Beispiel aus der Praxis ist der Einsatz ionischer Flüssigkeiten als Hilfsstoffe in der Extraktivdestillation, wodurch gegenüber herkömmlichen Prozessen Energieeinsparungen bis zu 60 Prozent realisierbar sind.

Fortschritte durch Chemie – Perspektiven für diverse Technologien

Das Positionspapier listet Technologien auf, bei denen die Chemie zu entscheidenden Fortschritten beitragen kann. Es handelt sich dabei um folgende Bereiche:

  • Thermostabile Polymermembranen für Brennstoffzellen würden deren großtechnischen Einsatz erheblich erleichtern.
  • Solarzellen erfordern neuartige molekulare Systeme, die effizienter und kostengünstiger hergestellt werden können.
  • Die Abscheidung von CO2 aus Abgasen von Kraftwerken oder anderen Industrieprozessen wir nur noch chemisch geschehen.
  • Fortschritte in der Batterietechnik fordern verbesserte Elektroden und der Elektrolyte.
  • Neue Thermoelektrika könnten helfen aus Wärme direkt elektrische Energie zu gewinnen.
  • Energiesparende Leichtbaukomponenten im Flugzeug- und Automobilbau benötigen spezielle Copolymere.
  • Innovative Konzepte zur Prozessintensivierung wie z.B. Katalyse, Mikroreaktionstechnik, neue Reaktionsmedien etc. werden die Effizienz chemischer Produktionsprozesse steigern.

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