Mensch und Automatisierung Bedienerunterstützung für eine vorausschauende Prozessführung

Autor / Redakteur: Axel Haller / Dr. Jörg Kempf

Ohne Automatisierung geht nichts mehr in der modernen industriellen Produktion, ohne den Menschen jedoch auch nicht. Auf die Zusammenarbeit kommt es an! Bedienen und Beobachten ist das A und O. Lesen Sie, wie ein Prozessleitsystem dem heutzutage gerecht wird.

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Ohne eine Automatisierung ist heute eine Produktionsanlage nicht mehr vorstellbar – egal wie klein oder groß, egal welcher Industriezweig. Im Idealfall sollte eine Anlage damit vollkommen ohne Eingriffe von außen, den vorgegebenen Programmen folgend, arbeiten. Doch die Realität ist nicht ideal. Deshalb muss der Mensch die Automatisierung beobachten, um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Moderne Leittechnik hilft.
Ohne eine Automatisierung ist heute eine Produktionsanlage nicht mehr vorstellbar – egal wie klein oder groß, egal welcher Industriezweig. Im Idealfall sollte eine Anlage damit vollkommen ohne Eingriffe von außen, den vorgegebenen Programmen folgend, arbeiten. Doch die Realität ist nicht ideal. Deshalb muss der Mensch die Automatisierung beobachten, um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können. Moderne Leittechnik hilft.
(Bild: ABB)

Untersuchungen zeigen, dass der Mensch für über 40 % aller ungeplanten Beeinträchtigungen oder Ausfälle einer Produktionsanlage verantwortlich ist. Rund ein Drittel der Ausfälle gehen auf das Konto der Ausrüstung, der Rest wird durch den Prozess als solches ausgelöst.

Wie kann bzw. muss ein Leitsystemhersteller darauf reagieren, um das Risiko von Fehlbedienungen zu verringern? Im Grunde sind es vier Dinge, die eine moderne Produktionsanlage und die Anforderungen an das Bedienpersonal charakterisieren.

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Da ist zum einen die Informationsflut, die eine moderne Automatisierung heute generiert und die den Bediener in einer kritischen Situation schlichtweg überfordern kann. Die meisten Produktionsanlagen weisen zudem einen immens hohen Automatisierungsgrad auf, sodass dem Bediener nicht immer klar sein kann, welche Auswirkungen seine Bedienhandlungen in einem komplexen Prozessgeschehen haben. Drittens steht natürlich die Leistungsfähigkeit einer Anlage im Fokus: Wie wirtschaftlich arbeitet sie, und welche (Wartungs-)Eingriffe sind nötig, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten oder sogar zu steigern? Und schließlich beeinflussen äußere Faktoren wie Marktvolatilität oder die Produktion in Verbundstandorten die Fahrweise und damit die Bedienung einer Anlage.

Die Zeiten, in der die Automatisierung 30 Temperaturen, 20 Drücke und 15 Ventilstände zurückmeldete und der Anlagenfahrer daraus Bedienhandlungen ableitete, sind lange vorbei. Hunderte, ja Tausende von Messwerten prasseln ständig auf den Bediener ein. Und damit nicht genug: zu jedem Messwert gibt es ein Einblendbild (Faceplate), evt. Trendbilder oder verknüpfte Grafiken. Videos zeigen Bilder aus der Anlage, die einzelnen Anlagenteile erstellen eigenständig Reports über ihre „Gesundheit“, zu jedem Anlagenteil – neudeutsch Asset – bietet das Automatisierungssystem Dokumentationen an, und übergeordnete Produktionsplanungs- oder Wartungssysteme erzeugen weitere Reports.

Nicht jeder braucht alle Informationen! Was muss ein Leitsystem können? Einfach weiterlesen …

Hier setzt die moderne Integrationsstrategie von ABB-Leitsystemen an. Zuerst stellt sich die Frage nach dem aufgaben- und berechtigungsorientierten Zugang zu Informationen. Nicht jeder braucht alle Informationen! Das Leitsystem muss gefilterte Informationen zugeschnitten auf den Bediener liefern. Damit stellt das ABB-System 800xA sicher, dass dem Bediener entsprechend seiner Aufgabe unterstützende Informationen – auf Mausklick – bereitgestellt werden. Durch derartig personalisierte Arbeitsplätze lassen sich unterschiedliche Personengruppen über die gleiche Visualisierungsplattform optimal unterstützen – Anlagenfahrer, Wartungspersonal oder Management/Produktionsleitung erhalten in Abhängigkeit ihres Log-In die für sie geeignete Darstellung auf jedem Bildschirm des Systems.

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Mehr ist nicht gleich besser

Ein weiteres Merkmal moderner Bedienoberflächen ist die Reduzierung der Farben auf den Bildschirmen. Das so genannte HP-HMI (High Perfomance Human-Machine-Interface) im System 800xA verwendet hauptsächlich kontrastarme Farben, nur anormale Daten werden kontrastreich farblich hervorgehoben. Denn ein Mehr an Informationsgehalt ist nicht gleichzusetzen mit besserer Information. Vielmehr sollte so wenig wie möglich unnötige Information angezeigt werden. Wichtig sind relevante Informationen, die dann farblich auf dem aktuellen Schirm angezeigt werden. Ziel ist es, den Benutzer auf anormale Zustände schnell aufmerksam zu machen und ihn nicht durch „schöne“ Grafikbilder abzulenken.

Das HP-HMI sorgt für ein durchgängiges Design von Prozessgrafiken, die eine effiziente Fokussierung bieten statt informationsüberladen zu sein, wie das heute noch sehr häufig anzutreffen ist. Gleiches gilt auch für Faceplates oder andere Grafikelemente wie Bar-Graphen, Profildarstellungen, nichtlineare Tachometer-Darstellungen oder Radardiagramme – und in besonderer Weise natürlich auch für die Alarmdarstellungen (siehe Interview im Kasten).

Oft unterschätzt wird heutzutage auch noch das Arbeitsumfeld „Warte“. Auch hier bildet ein modernes PLS wie das System 800xA eine Integrationsplattform für die unterschiedlichsten Informationen und Personengruppen. In der Warte werden die meisten Entscheidungen getroffen, deshalb braucht es für eine zentralisierte Zusammenarbeit der unterschiedlichen Personengruppen entsprechende Arbeitsplätze (Leitstation, Schaltraum, Engineering Arbeitsplatz etc.). Eine moderne Warteneinrichtung mit farbcodierter Beleuchtung und ergonomischen Großbildschirmen verbessern die Bediener-Effizienz und den Informationsaustausch besonders auch in anormalen Situationen wie Störfällen, aber auch bei geregelten Ab- oder Anfahrvorgängen.

Ein weiterer Aspekt zur Verbesserung der Prozessführung ist das proaktive Führen der Anlage. Mehr auf der nächsten Seite.

Die Anlage proaktiv führen

Ein weiterer Aspekt zur Verbesserung der Prozessführung ist das proaktive Führen der Anlage. Dazu gehört z.B. die Darstellung eines „Gutbereiches“ für bestimmte Anlagenparameter, also gruppierte Kenngrößen, deren unterlagerte Messgrößen mit Grenzwerten versehen sind. Der „Gutbereich“ versetzt den Benutzer sehr viel früher in die Lage, auf eine Abweichung zu reagieren, lange bevor Grenzwertverletzungen auftreten. Das System 800xA unterstützt den Anlagenfahrer bei der Analyse der Auswirkungen bestimmter Bedienhandlungen durch eine weitgehende „What-If“-Analyse. Das ist normalerweise in den Tiefen der Automatisierungssoftware verborgen, wird aber so für den Bediener sehr schnell sichtbar und transparent.

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Und schließlich unterstützt das System 800xA den Bediener auch beim Risikomanagement, was die Verfügbarkeit der Anlage erhöht. Hochkomplexe Anlagen mit einer Vielzahl von Sub-Systemen brauchen externe Fachleute, die gezielte Service-Dienstleistungen erbringen können. Dazu sind sichere Zugänge „von außen“ notwendig, um einen schnellen Zugriff auf das Expertenwissen zu ermöglichen. Der „Remote Diagnostic Service“ (RDS) von ABB stellt einen solchen sichern Zugang zur Verfügung. Über weitergehende Dienstleistungen und die Installation eines „Service Ports“ ist zudem noch ein zyklisches oder kontinuierliches Monitoring der Anlage möglich. Selbstredend werden solche Services nur in enger Kooperation mit dem Kunden durchgeführt und jeder Zugriff penibel dokumentiert.

Einfache Symbolik

Besonders im Bereich System Monitoring unterstützt das System 800xA den Anlagenfahrer mit einer einfachen Symbolik, damit er den Zustand seiner Anlagen-Assets immer im Blick hat. Dazu dienen einfache Symbole (Namur, EEMUA), die eine frühzeitige Erkennung der Zustände sowohl der Hardware (Instrumentierung), der Software (Leitsystem) als auch vom Prozess selbst ermöglichen. Einfache „Cockpit-Darstellungen“ helfen bei der Ableitung der richtigen Handlungsweise und z.B. auch der Wartungsstrategie.

Gerade die Wartungsstrategie ist ein Schlüsselelement bei der Erhöhung der Verfügbarkeit. ABB bietet dem Kunden unterschiedliche Module zur Implementierung in das Leitsystem an. Dabei kommt es auf den richtigen Mix der Einzelstrategien abhängig von der Bedeutung unterschiedlicher Anlagen-Assets. Reaktive, vorbeugende und vorausschauende Wartung sind heute jedem Anlagenbetreiber bekannte Größen. Noch wenig umgesetzt, aber von ABB bereits in der Praxis erprobt ist die CRIM (criticality analysis based maintainance). Dabei werden alle Assets aufgrund ihrer Bedeutung und Sicherheitsrelevanz (Kritikalität) für die optimale Funktion einer Produktionsanlage kategorisiert. Diese Einordnung ist entscheidend für die angewandte Wartungsmethode (präventiv, reaktiv).

Stabilerer Betrieb dank APC

Ein weiterer integrierter Bestandteil vom System 800xA sind die Advanced Process Control (APC). Konventionelle Regelungsfunktionen der Automatisierungssysteme haben bekanntermaßen ihre Grenzen. Stark nichtlineare und/oder dynamische Prozesse begrenzen die Regelbarkeit und beeinträchtigen Produktivität und Energieeffizienz. Hier beginnt das Potenzial für den Einsatz von APC-Technologien. Diese verbessern die Betriebsstabilität, erhöhen die Qualität und optimieren den Ressourcen- und Energie-Einsatz – und zwar kontinuierlich über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage.

Auf der nächste Seite wirft der Autor noch einen Blick auf die zunehmenden Einflüsse der Marktvolatilität auf den Betrieb und die Führung einer Produktionsanlage.

Im Führungscockpit

Abschließend soll noch ein Blick auf die zunehmenden Einflüsse der Marktvolatilität auf den Betrieb und die Führung einer Produktionsanlage gerichtet werden. In einem globalisierten Markt ändern sich Anforderungen an den Ausstoß einer Produktionsanlage hinsichtlich Menge. Lieferzeit und Qualität ständig und immer schneller. Auch eine Verbundstrategie verschiedener Betriebsteile oder Standorte verlangt nach einer hohen Flexibilität der Produktionsanlage.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden gilt es, die Produktionsdaten zu integrieren ohne dabei die Komplexität zu erhöhen. Das bedeutet beispielsweise die Einrichtung eines „Führungscockpits“ als erweiterter Arbeitsplatz als Ergänzung zum Automatisierungssystem.

Dazu verfügt das System 800xA über eine flexible Visualisierungsschnittstelle ohne eigene Datenhaltung. Aus der Zusammenführung und Analyse der verschiedenen Produktionsdaten können diese beispielsweise im Intranet verfügbar gemacht werden. Da die Datenauswertung über den gesamten Produktionsablauf erfolgt, ist eine schnelle und effektive Zusammenarbeit der unterschiedlichen Personengruppen (Produktionsleiter, Verfahrenstechniker, Wartungspersonal etc.) möglich.