Nachhaltigkeits-Reporting Auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität mit dem Digitale Zwilling

Ein Gastbeitrag von Stephen Reynolds, Industry Principal Chemicals bei Aveva Lesedauer: 6 min |

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Damit der drittgrößte nationale Industriezweig effizienter und vor allem nachhaltiger produzieren kann, müssen Chemieunternehmen ihre Daten besser verwalten. Warum der Digitale Zwilling dabei unverzichtbar ist.

Visualisierung auf Dashboards schafft Transparenz über die kontextualisierten Daten.
Visualisierung auf Dashboards schafft Transparenz über die kontextualisierten Daten.
(Bild: Aveva)

In den letzten Jahrzehnten haben Unternehmen bereits mit digitalen Technologien ihre Anlagen optimiert, ihre Produktion gesteigert und Kosten gesenkt. Doch inzwischen steht ein weiteres Anliegen auf ihrer Agenda: Sie müssen sich ökologisch nachhaltiger aufstellen. Wie dringend dies ist, zeigt auch der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vom März 2023. Denn eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau von 1850 bis 1900 ist inzwischen praktisch unmöglich. Umso wichtiger sind die Bestrebungen von Industrieunternehmen, ihre Emissionen deutlich zu reduzieren.

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Der deutsche Chemiesektor stieß im Jahr 2021 über 120 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgase (THG) aus. Damit der drittgrößte Industriezweig Deutschlands bis 2050 treibhausgasneutral werden kann, schreibt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) der digitalen und technologischen Transformation eine entscheidende Rolle zu. Dank praxiserprobter Industriesoftware können Unternehmen gleichzeitig ihr Geschäft optimieren und dank eines besseren Überblicks über ihre Emissionen auch ihren Energieverbrauch senken.

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Das Greenhouse Gas Protocol kategorisiert THG-Emissionen dabei in Scope 1, Scope 2 und Scope 3. Scope 1-Emissionen stammen aus Quellen, die direkt von einem Unternehmen verantwortet oder kontrolliert werden. Scope 2 beinhaltet indirekte THG-Emissionen aus eingekaufter Energie, wie Strom oder Fernwärme. Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die bei Partnern entlang der Wertschöpfungskette entstehen.

Daten mit dem Digitalen Zwilling kontextualisieren

Obwohl das Nachhaltigkeit-Reporting zunächst sehr komplex erscheint, können Unternehmen mit digitalen Technologien ihre Emissionen einfach erfassen und verwalten. Dafür müssen sie die vorhandenen Rohdaten ihrer chemischen Anlagen und Produktionsstätten in kontextualisierte Informationen umwandeln. Das ermöglicht der Digitale Zwilling, ein virtuelles Abbild der realen Anlage. Der Digitale Zwilling führt Echtzeit-Datenquellen, Modelle und Analysen aus dem gesamten Anlagenlebenszyklus in der Cloud zusammen.

Auch das US-amerikanische Unternehmen Eastman Chemical Company mit Hauptsitz in Kingsport, Tennessee nutzt die Potenziale des Digitalen Zwillings mit der Asset Information Management-Software von Aveva. Das Chemieunternehmen ist ein global führender Hersteller von hochentwickelten Materialien. Eastman Chemical blickt auf eine 100-jährige Geschichte und eine entsprechend umfangreiche Sammlung an Informationen und Daten zurück. Anstatt weiterhin mit zahlreichen alten technischen Dokumenten zu arbeiten, entwickelte das Unternehmen die Plattform SEiga (Seamless EPCom Integrated Global Access). Dabei handelt es sich um ein cloudbasiertes System, das Daten des gesamten Unternehmens virtuell in einem Digitalen Zwilling zentral zusammenführt.

Über Seiga können alle Teams von Eastman Chemical unabhängig von Ort und Zeit auf korrekte, zuverlässige und sichere Daten aus der gesamten Organisation zugreifen. Denn: Der Digitale Zwilling integriert die vielfältigen Dokumente, Entwürfe und Informationen, verifiziert sie und stellt Verknüpfungen her. Dadurch gestalten sich sowohl die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Abteilungen als auch die Übertragung von Daten zwischen Ingenieur:innen und den Anlagenbetreibern leichter. Sie können ihre Projekte aufgrund der Software und der abgebildeten Echtzeit-Daten effizienter und reibungsloser umsetzen.

Darüber hinaus nutzt Eastman Chemical die kontextualisierten Informationen gezielt, um nachhaltige Technologien zu entwickeln und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Wir konzentrieren uns auf innovative und nachhaltige Ergebnisse, die zur Lebensqualität der Menschen beitragen. Im Rahmen unserer digitalen Transformation können wir den Digitalen Zwilling nutzen und unsere Arbeit optimieren“, sagt Jan Shumate, Director Worldwide Engineering and Construction Services & Solutions bei Eastman Chemical.

Mehr Zuverlässigkeit dank des Digitalen Zwillings

Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) ermöglicht ein Digitaler Zwilling präzise Vorhersagen. Anhand dieser kontextualisierten Informationen können Unternehmen fundiert darüber entscheiden, wie sie ihre Verfahren und chemischen Anlagen emissionsärmer gestalten können. Verschiedene Modellierungen zeigen auf, in welchen Bereichen Unternehmen Emissionen einsparen können. Von diesem, noch nicht ausgeschöpften, Potenzial lassen sich passende Maßnahmen ableiten – etwa der Wechsel auf einen Strommix aus erneuerbaren Energien beziehungsweise dessen Nutzung entsprechend der Anlagebedingungen.

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Der Digitale Zwilling sorgt dafür, dass Produktionsanlagen zuverlässiger und langlebiger laufen. Fällt eine Anlage aus, verbrauchen sowohl das Herunterfahren als auch der Neustart beträchtliche Mengen an Energie. Wenn Chemieunternehmen also ungeplante Ausfälle reduzieren, können sie an dieser Stelle Energie einsparen. KI nutzt die Daten des Digitalen Zwillings und erstellt mit prädiktiver Analytik Frühwarnungen, damit die Teams vor Ort die Anlagen rechtzeitig überprüfen und warten können. In einem weiteren Schritt können Betriebe die Remaining Use of Life Estimation (RULE) ihrer Anlagen sowie derer Komponenten berechnen, um die Vorhersagegenauigkeit der KI zu erhöhen. Das ermöglicht auch einen rechtzeitigen Austausch von Komponenten in energieeffiziente, moderne Alternativen.

Nachhaltige Anlagenplanung und -aufrüstung mit dem virtuellen Abbild

Damit Chemieunternehmen nachhaltiger agieren können, müssen sie ihre Produktionsstätten von Grund auf vernetzt und datenfokussiert denken. Idealerweise können sie Anlagen mit einem „Greenfield“-Ansatz von Grund auf neu konzipieren und angelegen. Bei „Greenfield“-Anlagen kommen Technologien der Industrie 4.0 wie das industrielle Internet of Things (IIot) zum Einsatz. Dabei ist jeder Maschinenbestandteil mit smarten Geräten und Sensoren ausgerüstet, die Daten erfassen und in der Cloud zur Verfügung stellen. Nutzen Unternehmen in bestehenden Werken einen Digitalen Zwilling, können dessen Daten und Vorhersagemodelle eine Neuplanung ebenfalls positiv beeinflussen. Schließlich wissen sie dann bereits, welche Abläufe und Geräte besonders emissionsarm sind und welche erneuert werden müssen.

Doch die Realität speziell für kleine und mittlere Chemiebetriebe sieht häufig anders aus. Sie müssen meist ihre bereits bestehenden Anlagen Stück für Stück auf den aktuellen technologischen Stand bringen. Die sogenannte „Brownfield“-Planung ist durch vorhandene bauliche Gegebenheiten und erforderliche hohe Investitionen ein komplexes Vorhaben. Indem Betriebe bereits vorhandene Daten mit den simulierten Planungsdaten der Ingenieur:innen kombinieren, können Entscheiderinnen die Upgrade-Optionen für ihre Anlagen besser bewerten. Ebenso wichtig ist es, dass die Daten aus der Konstruktionsphase des „Brownfield”-Projektes korrekt in den Betrieb übergehen. Gemeinsam mit den Echtzeit-Daten der aufgerüsteten Anlage lassen sich daraus auch künftig Optimierungspotenziale für Betrieb und Wartung der Produktionsstätte ableiten.

Die gesamte Wertschöpfungskette verstehen

Die Emissionen außerhalb ihres direkten Verantwortungsbereiches (Scope 3) zu reduzieren, stellt eine Herausforderung für Unternehmen dar. Schließlich ist es bereits innerhalb eines Betriebes schwierig, alle erforderlichen Datenquellen zu identifizieren, zusammenzuführen und mit relevanten Informationen anzureichern. In einem verbundenen Datenökosystem können interne und externe Parteien ihre Information jedoch sicher miteinander teilen, Potenziale aufdecken und Innovationen fördern. Nur dann können Unternehmen auch die Emissionen ihrer gesamten Wertschöpfungskette von Lieferanten über Partner bis zu Kunden überblicken.

Expert:innen können hierbei eine Cloud-native Lösung aufbauen und die zusammengeführten Datenströme mit Metadaten anreichern. Diese Form einer vernetzten industriellen Wirtschaft verschafft Unternehmen einen transparenten Blick auf ihre tatsächlich ausgestoßenen THG. Daraus können Chemieunternehmen notwendige Maßnahmen ableiten und beispielsweise Scope 3-Emissionen von externen Partnern über Zertifikate ausgleichen. Gleichzeitig muss die chemische Industrie in weitere Projekte wie die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2, grünen Wasserstoff sowie eine funktionierende Kreislaufwirtschaft investieren. Dabei zahlen sich bereits etablierte Formen einer flexiblen datenbasierten Kollaboration für alle Beteiligten erneut aus.

Mit Transparenz zur Treibhausgasneutralität

Das Verständnis in Wirtschaft und Gesellschaft dafür, dass Verantwortliche bessere Entscheidungen auf der Grundlage von Daten treffen können, wächst zunehmend. Schlüsseltechnologien wie der Digitale Zwilling bieten der chemischen Industrie eine Chance, ihre vielfältig vorhandenen Informationen sinnvoll zu bündeln und einzusetzen. Wenn Chemieunternehmen ihre komplexen eigenen Strukturen und ihre Wertschöpfungskette transparent abbilden, können sie mit geringem Zeit- und Kostenaufwand wirkungsvolle Änderungen anstoßen. Dann haben sie bereits einen wichtigen Schritt in Richtung des Ziels der Treibhausgasneutralität bis 2050 getan.

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